Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
Archivisten wären alle verschwunden«, sage ich.
»Einige sind zurückgekommen«, erzählt Bram. »Die mit dem roten Mal haben wieder angefangen, Geschäfte zu machen.« Im Grunde hätte mich das nicht weiter überraschen sollen. Natürlich konnten einige der Versuchung nicht widerstehen, wieder aus ihren Dingen Profit zu schlagen, als sie die Marktlücke erkannten.
Ich lehne mich dichter zu Bram hinüber und flüstere ihm zu: »Wir nehmen sie mit zurück.«
»Ist das nicht zu gefährlich?«, flüstert Bram zurück.
»Nein«, sagt der Medic der Erhebung. »Sie ist transportfähig. Ihr Zustand ist stabil, und sie zeigt keine Anzeichen für eine Lungenerkrankung.«
»Bram«, sage ich leise, »wir haben bisher noch nicht viel von dem Heilmittel. Die Erhebung glaubt, Mama könne ihr vielleicht helfen, daher soll sie als eine der Ersten das Heilmittel erhalten.« Ich werfe einen Blick auf meine Mutter und ihre starren Augen. »Für Papa habe ich dasselbe erreicht, wo wir schon einmal hier sind. Aber wo ist er? Wo ist Papa?«
Bram antwortet nicht, sondern wendet nur den Blick ab.
»Bram«, frage ich noch einmal, »wo ist Papa? Weißt du es? Wir können ihn mitnehmen und behandeln, das hat man mir versprochen, aber wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen ihn sofort holen!«
Da fängt Bram an zu weinen, mit tiefem, herzzerreißendem Schluchzen. »Sie bringen die Toten hinaus aufs Feld«, sagt er. »Nur diejenigen von uns, die immun sind, dürfen sie identifizieren.« Tränenüberströmt blickt er zu mir auf. »Das habe ich für die Archivisten getan«, sagt er. »Ich habe für sie die Toten identifiziert.«
»Nein!«, stöhne ich entsetzt.
»Besser, als Geweberöhrchen zu verkaufen«, erwidert er. »Das ist der einzige andere gutbezahlte Job.« Seine Augen sind so anders – so viel älter, weil sie so viel mehr gesehen haben – und dennoch dieselben, mit diesem aufsässigen Funkeln, das ich so gut kenne. »Aber das wollte ich nicht. Die Röhrchen zu verkaufen ist heuchlerisch. Den Leuten zu sagen, ob ihre Freunde und Verwandten tot sind, ist viel ehrlicher.«
Er erschauert. »Die Archivisten ließen mir die Wahl«, sagt er. »Ständig kommen Leute zu ihnen, die Informationen, Röhrchen oder Auskünfte darüber haben wollen, wo ihre Lieben sind. Also habe ich ihnen geholfen. Ich konnte die Leute finden, wenn ich ein Foto von ihnen hatte. Bezahlt wurde ich mit dem, was ich brauchte. Für mich selbst, und für Mama.«
Er hat alles in seiner Macht Stehende für unsere Mutter getan, und ich bin froh, dass er sie gerettet hat, aber der Preis war furchtbar hoch. Was hat er gesehen?
»Ich kam zu spät, um ihn zu retten«, sagt Bram.
Beinahe hätte ich Bram gefragt, ob er sich sicher ist, ja, fast hätte ich ihn beschworen, dass er sich irrt, aber er weiß es genau. Er hat ihn gesehen.
Mein Vater ist tot. Das Heilmittel kommt zu spät für ihn.
»Wir müssen aufbrechen«, sagt der Medic, während er dem Wachmann hilft, meine Mutter auf eine Tragbahre zu laden. »Sofort!«
»Wo bringen Sie sie hin?«, fragt jemand auf der anderen Seite des Raumes, aber wir geben keine Antwort.
»Ist sie gestorben?«, ruft ein anderer. Ich höre den Menschen an, wie verzweifelt sie sind.
Wir schlängeln uns zwischen den Patienten hindurch, lassen sie zurück, und mir tut das Herz weh. Wir kommen wieder! , würde ich ihnen am liebsten zurufen. Und beim nächsten Mal bringen wir ausreichend Heilmittel für alle mit.
»Was haben Sie anzubieten?«, fragt jemand und drängt sich zu uns durch. Ein Archivist. »Haben Sie eine andere Arznei? Wie viel ist sie wert?«
Der Offizier kümmert sich um ihn, während wir eilig das Museum verlassen.
Auf dem Schiff klettert Bram zusammen mit mir und dem Medic in den Frachtraum hinunter, wo der Medic meiner Mutter einen Tropf anlegt. Ich drücke Bram an mich. Er fängt an zu weinen und kann gar nicht wieder aufhören. Mir bricht das Herz, und ich glaube schon, seine Tränen würden nie versiegen. Als er aufhört, wird es noch schlimmer, denn er fängt am ganzen Körper an zu zittern und zu zucken, und ich frage mich, wie jemand einen so großen Schmerz überleben kann. Zugleich wird mir bewusst, wie viel vom Leben noch vor mir liegt. Flehentlich wünsche ich mir, dass Bram neben seinem Schmerz auch dies empfindet, irgendwo inmitten seiner Verzweiflung, denn schließlich sind wir immer noch zusammen und können aufeinander bauen.
Als Bram einschläft, nehme ich die Hand meiner Mutter, und anstatt
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