Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
abgegeben, sondern einige Ampullen für Lei aufbewahrt. Da sie nicht sehr viel früher als Ky versunken ist, hat sie eine Chance, obwohl sie vorher nicht Okers Infusionen erhalten hat.
Ich höre Schritte hinter mir und drehe mich um. Es ist einer der Ärzte, mit dem ich damals zusammengearbeitet habe. »Ich wusste gar nicht, dass wir hier oben auch schon das neue Heilmittel erhalten«, sagt er.
»Noch ist es auch nicht so weit«, antworte ich, »denn die Testreihe wird an Patienten durchgeführt, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums versunken sind. Sie lag knapp außerhalb.« Ich injiziere den Rest der Spritze und wende mich wieder ihm zu. »Ich hatte aber noch ein paar Dosen übrig.« Ich halte ihm ein paar Ampullen hin. »Es kann eine Weile dauern, bis ich wiederkommen kann. Ich muss jetzt weiter an der Herstellung des Heilmittels arbeiten.«
Der Medic steckt die Ampullen in die Tasche seiner Uniform. »Ich gebe sie ihr«, verspricht er.
»Alle zwei Stunden«, sage ich. Ich kann mich nicht dazu überwinden, sie wieder allein zu lassen. Jetzt kann ich nachfühlen, wie es Cassia auf der Krankenstation bei Ky ergangen ist. Kann ich dem Medic trauen? Bestimmt würde er auch gerne einen bestimmten Menschen heilen, wenn er könnte.
»Ich verspreche, niemand anderen damit zu behandeln«, sagt der Medic. »Ich möchte mir ohnehin erst einmal ansehen, wie es wirkt.«
»Danke!«
»Wirkt es denn?«
»Zu hundert Prozent bei unserer ersten Testgruppe.« Ich verschweige die Tatsache, dass es nur eine Testperson gab.
»Ich möchte Sie etwas fragen«, sagt der Medic. »Sind Sie der Steuermann?«
»Nein«, antworte ich. An der Tür halte ich noch einmal kurz inne und werfe einen letzten Blick auf Lei. Es war im Grunde nicht richtig, das Heilmittel sofort bei so vielen Patienten anzuwenden, obwohl nur Ky es vorher erhalten hatte. Man sollte nicht einem einzigen Patienten so viel Bedeutung beimessen. Es ist nur ein Mensch. Andererseits kann ein einzelner Mensch alles bedeuten.
Die ersten Ergebnisse werden übertragen: Sie erwachen. Ihr Zustand bessert sich.
In Zahlen gesprochen heißt das: fünfundsiebzig von hundert Patienten können mit den Augen einer Bewegung folgen, drei haben gesprochen. Dreiundachtzig Patienten zeigen deutliche Zeichen der Besserung – wenn sie auch noch nicht richtig sehen oder sprechen können, dann haben sich zumindest Durchblutung, Herzfrequenz und Atmung normalen Werten angenähert. Sie haben doppelt so lange wie Ky für diese Reaktion gebraucht, aber das Heilmittel wirkt auf jeden Fall.
»Siebzehn reagieren gar nicht«, berichtet der Chefarzt. »Wir vermuten, dass sie schon länger versunken sind als angenommen. Vielleicht hat es Fehler bei der Registrierung gegeben.«
»Versuchen Sie es weiterhin«, bitte ich. »Verabreichen Sie ihnen über zwei Tage hinweg das Heilmittel.«
Der Medic nickt. Ich gebe die Informationen via Miniterminal an den Steuermann weiter. »Was meinst du?«, fragt er.
»Ich finde, wir sollten nicht länger warten«, sage ich. »Die Herstellung des Heilmittels ist inzwischen gesichert, und die Wissenschaftler können Labore in ihren Heimatorten anleiten, die wir noch einrichten müssen. Allerdings ist es uns noch nicht gelungen, den Wirkstoff synthetisch herzustellen. Haben Sie genug Zwiebeln?«
»Für den Anfang auf jeden Fall«, antwortet er. »Aber wir brauchen mehr.«
»Sie haben ja die Ergebnisse gesehen«, sage ich. »Die Zeit wird knapp!«
»Was sollen wir deiner Meinung zuerst tun?«, fragt er. »Das Heilmittel schon jetzt in andere Städte schicken oder hier beginnen und dann den Kreis erweitern?«
»Ich weiß es nicht«, antworte ich. »Fragen Sie Cassia. Sie kann das am besten beurteilen. Ich gehe jetzt wieder ins medizinische Zentrum und sehe nach den Patienten.«
»In Ordnung«, sagt der Steuermann.
Ich gehe wieder hinüber ins medizinische Zentrum. Natürlich muss ich noch nach einer anderen Patientin sehen. Von ihr habe ich bisher nichts gehört, weil sie nicht zu den offiziellen Testpersonen zählt und ihre Daten nicht im Bericht enthalten sind. Die anderen Ärzte nicken mir zu, als ich hereinkomme, kümmern sich dann aber nicht weiter um mich, worüber ich froh bin.
Über ihrem Bett hängt noch dasselbe Bild, das mit dem fischenden Mädchen. Lei schaut hinauf auf das Wasser, und ich lächle für alle Fälle. »Lei«, sage ich, und mehr bringe ich nicht heraus, denn ihre Augen bewegen sich ein klein wenig und richten sich auf mich.
Sie
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