Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
sind. Hier sind daher keine größeren Probleme zu erwarten, doch weiter im Zentrum der Gesellschaft ist mit mehr Widerstand zu rechnen. Da aus den Terminals jedoch nichts als die Stimme des Steuermannes ertönt, werden ihm die Menschen sicherlich bald folgen.
Ein weiteres Kampfschiff zieht über uns hinweg, der Geleitschutz für eine schwerere Maschine, die zur Landung ansetzt. Die Tür des medizinischen Zentrums wird von der Erhebung bewacht. Sie muss das Innere bereits gesichert haben. »Xander Carrow, Arzt«, melde ich mich bei einer der Wachen, die mit einem Blick auf ihr Miniterminal meine Identität überprüft. Schwarz gekleidete Boten eilen vom Landeplatz herbei, wo das Schiff aufgesetzt hat. Sie tragen Kisten mit medizinischen Symbolen.
Bringen sie das, was ich vermute?
Das Heilmittel?
Die Wache winkt mich durch und sagt: »Ärzte bitte im Büro auf der Hauptebene melden.«
Im Inneren höre ich wieder die Stimme des Steuermannes, die aus allen Terminals im Gebäude schallt. Er singt die Hymne der Gesellschaft. Wie das wohl wäre? , frage ich mich. Ein Lied nur im Kopf zu hören und es dann genauso herauszusingen?
Zwei Offiziere zerren einen Funktionär an mir vorbei. Schluchzend drückt er die Hand aufs Herz und bewegt die Lippen zu den Worten der Hymne. Er tut mir leid. Ich wünschte für ihn, er wüsste, dass dies nicht das Ende der Welt bedeutet, obwohl er das in diesem Moment sicher glaubt.
Im Büro händigt man mir eine schwarze Uniform aus, und ich ziehe mich mitten auf dem Flur um, genau wie alle anderen. Ich krempele die Ärmel hoch, denn jetzt geht es an die Arbeit. Meine weiße Funktionärsuniform werfe ich in den nächsten Müllverbrenner. Ich werde sie niemals mehr tragen.
»Wir teilen die Patienten in Gruppen von jeweils einhundert auf«, erklärt mir der diensthabende Chefarzt lächelnd. »Wie der Steuermann bereits erklärt hat, werden einige alte Mechanismen der Gesellschaft in Kraft bleiben, vorübergehend jedenfalls.« Er zeigt auf die Reihen der Kranken, die die Rebellen der Erhebung als die Versunkenen bezeichnen. Sie sind so weit entfernt, dass man das Gefühl hat, sie würden nie wieder die Oberfläche erreichen. »Sie werden ihre Pflege und die korrekte Verabreichung des Heilmittels überwachen. Sobald die Ersten genesen sind und das medizinische Zentrum verlassen, werden Ihnen neue Patienten zugewiesen.«
Die Terminals schweigen. Inzwischen werden Bilder von reglosen Kranken in Central übertragen.
Central! Da ist Cassia! Erstmals überkommt mich Sorge um sie. Angenommen, sie hat sich nicht der Erhebung angeschlossen und sieht diese Bilder? Hat sie Angst?
Und ich war mir so sicher, dass Funktionärin Lei zur Erhebung gehört!
Könnte ich mich auch in Cassia getäuscht haben?
Nein. Sie hat es mir bei unserem letzten Gespräch über Terminal ganz deutlich zu verstehen gegeben. Zwar konnte sie es nicht aussprechen, aber ich habe es ihrer Stimme angehört. Ich habe ein gutes Gehör für Zwischentöne und weiß genau, dass sie den Schritt gewagt hat.
»Wir warten noch auf weitere Krankenschwestern und Medics«, informiert mich der Chefarzt. »Sind Sie bereit, bis dahin das Heilmittel selbst zu verabreichen?«
Das ist der Unterschied zur Gesellschaft, und an dieser Stelle verwischen bereits die Grenzen. Die Gesellschaft hätte es niemals zugelassen, dass ich nach meiner Beförderung zum Arzt derart einfache Arbeiten durchführe.
»Natürlich«, antworte ich.
Ich desinfiziere meine Hände und nehme ein Röhrchen aus einer Kiste. Eine Krankenschwester neben mir folgt meinem Bespiel. »Sie sehen wunderschön aus«, sagt sie, als sie die Röhrchen betrachtet, und sie hat recht.
Ich packe eine Infusionsnadel aus und schließe den Tropf an die Vene eines Patienten an. Die Stimme des Steuermannes ertönt aus den Terminals im medizinischen Zentrum, und ich lächle, weil seine Worte so genau zur Situation passen: »Die Gesellschaft ist krank«, wiederholt er noch einmal seine Botschaft, »doch wir haben das Heilmittel.«
Kapitel 8
Cassia
Ich kann hier nicht länger warten. Ich zittere vor Kälte am ganzen Körper.
Wo ist er?
Ich wünschte, ich könnte mich daran erinnern, was heute Abend geschehen ist. Konnte die Erhebung erfolgreich die Daten manipulieren? Habe ich getan, was von mir erwartet wurde?
Einen Augenblick lang regt sich trotz der Kälte Ärger in mir. Ich habe nie darum gebeten, hier in Central zu sein, sondern wollte, dass mich die Erhebung nach Camas schickt,
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