Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
für alle da«, sagt er, und ich weiß, dass er es ernst meint.
Ich weiß, dass es meinen Eltern und meinem Bruder gutgeht, ich habe kurz am Terminal mit ihnen gesprochen. Bram ist anfangs an der Seuche erkrankt, hat sich aber wieder erholt, wie es die Erhebung versprochen hat. Meine Eltern wurden in Quarantäne geschickt und geimpft. Leider kann ich mit Bram nicht darüber sprechen, wie es war, als er die Seuche hatte – wir sind vorsichtig, lächeln und tauschen die gleichen Gemeinplätze aus wie zu Zeiten der Gesellschaft. Wir sind nicht sicher, wer uns jetzt zuhört.
Ich möchte mich endlich unterhalten, ohne dass mich irgendjemand belauscht!
Die Erhebung hat bisher nur die Kommunikation zwischen Verwandten ermöglicht. Partnerschaften, die nicht von einem Vertrag bekräftigt worden sind, wurden offiziell gelöst, und es gibt keine Möglichkeit, etwas über den Aufenthalt von Freunden zu erfahren. »Was ist wichtiger«, hat der Steuermann gefragt, »Energie in die Kommunikationswege zu investieren oder dafür, Menschenleben zu retten?«
Daher konnte ich Xander bisher noch nicht fragen, worin sein Geheimnis besteht, von dem er mir auf dem kleinen Papierschnipsel erzählt hat, den ich in den Canyons bei mir getragen habe. Manchmal habe ich schon vermutet, seine Zugehörigkeit zur Erhebung sei das Geheimnis gewesen. Dann wieder bin ich mir nicht so sicher.
Man kann sich gut vorstellen, wie sich die Patienten fühlen, die Xander behandelt. Er beugt sich zu ihnen hinunter und hört ihnen zu. Er nimmt ihre Hände. Spricht so aufrichtig und sanft mit ihnen wie mit mir, als er mir damals in den Canyons im Traum erschien und mich aufforderte, die Augen zu öffnen. Schon seine Anwesenheit muss eine heilende Wirkung auf die Patienten haben.
Nachdem das Ausmaß der Seuche bekannt wurde, habe ich sowohl Xander als auch Ky eine Nachricht geschickt, dass es mir gutgeht. Die Botschaften haben mich mehr gekostet, als ich mir nach dem Diebstahl meiner Gedichte aus dem See leisten konnte, aber ich wollte unbedingt, dass die beiden Bescheid wissen, damit sie sich keine Sorgen machen.
Von keinem habe ich bisher gehört – kein Wort, weder von Hand geschrieben noch ausgedruckt, nicht die kleinste Nachricht. Die Objekte, die ich gegen Großvaters Gedicht eingetauscht habe, sind auch noch nicht eingetroffen, weder die letzte Strophe von Dich hab ich nicht erreicht noch Großvaters Mikrochip. Dabei warte ich schon so lange darauf!
Manchmal befürchte ich, Großvaters Mikrochip könnte sich noch in der Hand eines Händlers befinden, der irgendwo an einem fernen Ort versunken liegt. Denn Bram hätte ihn mir geschickt, da bin ich mir ganz sicher.
Als ich in der Provinz Tana gearbeitet habe, bevor ich in die Canyons flüchtete, war es Bram, der mich durch seine Nachricht dazu brachte, mir den Mikrochip unbedingt noch mal ansehen zu wollen. Bram hatte sich ihn angeschaut und mir erzählt, was er unter anderem entdeckt hat:
Ganz am Ende hat Großvater seine liebsten Erinnerungen aufgelistet, jede davon galt einem von uns. Seine Lieblingserinnerung an mich war das erste Wort, das ich gesprochen habe – »mehr«. Seine Lieblingserinnerung an dich war eine, die er den »Tag im roten Garten« nannte.
Damals in Tana dachte ich, Großvater wäre ein kleiner Fehler unterlaufen, und er hätte »Tage im roten Garten« gemeint, im Plural, jene Tage im Frühling, Sommer und Herbst, die wir draußen vor seinem Apartmenthaus verbrachten.
In letzter Zeit erscheint mir das jedoch immer unwahrscheinlicher. Großvater war klug und vorsichtig. Wenn er schrieb: Tag im roten Garten , im Singular, sei seine liebste Erinnerung an mich, meinte er einen besonderen Tag. Einen, an den ich mich nicht erinnern kann.
Hat die Gesellschaft mich an jenem Tag gezwungen, die rote Tablette zu schlucken?
Großvater hat immer an mich geglaubt. Er hat mir eingeschärft, die grüne Tablette nicht zu nehmen, weil ich sie nicht bräuchte. Außerdem hat er mir die beiden Gedichte geschenkt, Geh nicht gelassen von Dylan Thomas und Überqueren der Barre von Tennyson, in dem der Steuermann vorkommt. Ich weiß nicht, welches mir als Wegweiser dienen sollte, doch er hat mir beide anvertraut.
Am Museum werde ich bereits von einer Frau erwartet. Einsam steht sie da, an diesem von Regenwolken überschatteten Frühlingsnachmittag.
»Ich möchte mehr über die glorreiche Geschichte von Central erfahren«, spricht sie mich an. Sie hat ein erschöpft wirkendes, aber
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