Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
gründliche Reinigung aller Oberflächen und Geräte. Dies ist umso wichtiger, da das Virus durch Tröpfchen-und Schmierinfektion übertragen werden kann. Außerdem erkläre ich ihnen die Aufnahmeformalitäten und die Regeln für die Erstuntersuchung. Ich erzähle, dass es nicht genügend Druckschutzmatratzen gibt, so dass wir einige Patienten von Hand drehen müssen, und beschreibe die Wundsauger, mit denen wir Verletzungen schließen und Infektionen abwehren.
Es herrscht absolute Ruhe, als ich zu dem Punkt komme, der alle am meisten interessiert: das Heilmittel.
»Die Verabreichung des Heilmittels funktioniert im Grunde genommen genauso, wie Sie es während der Ansprache des Steuermannes auf den Terminals gesehen haben«, sage ich. »Nebenwirkungen treten so gut wie nie auf, doch wenn, dann innerhalb der ersten halben Stunde nach Behandlungsbeginn.«
»Mit welchen Nebenwirkungen müssen wir rechnen?«, fragt einer der Zuhörer.
»Atemstillstand«, antworte ich. »Die Patienten müssen intubiert und für kurze Zeit künstlich beatmet werden. Das Heilmittel wirkt aber trotzdem. Die Intubation darf natürlich nur ein Medic vornehmen.«
»Haben Sie so einen Fall schon einmal miterlebt?«, fragt der Mann.
»Bisher dreimal«, antworte ich. »Und ich arbeite seit dem Tag der Machtübernahme hier im medizinischen Zentrum.« Einerseits kommt es mir vor, als sei es gestern gewesen, andererseits, als hätte ich mein ganzes Leben hier verbracht.
»Wie lange dauert es, bis das Heilmittel wirkt?«, ruft ein anderer Zuhörer dazwischen.
»Häufig sind die Patienten schon nach drei, vier Tagen wieder gesund«, antworte ich. »Am sechsten Tag werden sie in die Reha-Abteilung verlegt und bleiben dort noch für ein paar Tage, ehe sie wieder zu Familie und Freunden zurückkehren. Das Heilmittel ist hochwirksam.«
Erstaunen im Publikum. Natürlich haben sie erlebt, dass Erkrankte geheilt wurden und das medizinische Zentrum wieder verlassen konnten, aber sie haben nicht gewusst, wie schnell das Heilmittel wirkt.
»Damit komme ich zum Ende«, schließe ich und lächle in die Menge. »Willkommen bei der Erhebung.«
Applaus, vereinzelter Jubel. Im Saal herrscht große Aufregung. Alle sind froh, endlich etwas unternehmen zu können, anstatt tatenlos außerhalb der Barrikaden herumzusitzen. Das kann ich gut nachvollziehen. Wenn ich die Kranken heile, weiß ich, dass ich das Richtige tue.
Ich starre an die Decke des Schlafsaals und höre die anderen atmen. Irgendwo dort draußen im medizinischen Zentrum behandelt Lei die Patienten. Ich bin froh, dass sie jetzt auch zur Erhebung gehört; sie wird sich gut um die Versunkenen kümmern. Ich frage mich, warum sie nicht schon früher beigetreten ist. Vielleicht wusste sie einfach nicht Bescheid. Schließlich hat niemand je offen über die Erhebung gesprochen.
Ich bin mir sicher, dass sich mein Bruder Tannen ihr angeschlossen hat. Sobald er von der Rebellion erfahren hätte, wäre ihm genau wie mir klar gewesen, dass wir Verantwortung übernehmen und uns daran beteiligen sollten. Da er ebenfalls nicht auf die rote Tablette reagiert, ist er perfekt dazu geeignet.
Warum Ky sich nicht von Anfang an der Erhebung angeschlossen hat, schon damals, als man uns zum ersten Mal fragte, ist mir immer ein Rätsel gewesen. Die Erhebung hätte ihm helfen können. Aber er hat abgelehnt und mir nie gesagt warum.
Schon bevor Cassia zu den Äußeren Provinzen aufgebrochen ist, um Ky zu suchen, war spürbar, dass sie zu etwas Großem in der Lage war. Ich denke zum Beispiel an jenen Tag im Schwimmbad, als sie sich endlich traute, ins Wasser zu springen: Sie zauderte keine Sekunde. Daher hätte es mich nicht überraschen sollen, dass sie sich so in Ky verliebte, wie ich mir gewünscht hätte, dass sie mich liebt: vollkommen.
Nur einmal habe ich erwogen, aus der Erhebung auszutreten, nämlich als ich mit Cassia gepaart wurde. Monatelang spielte ich ein doppeltes Spiel: Ich tat, was die Erhebung von mir verlangte, funktionierte andererseits aber gesellschaftskonform, damit ich mit Cassia gepaart bleiben konnte. Doch schon bald erkannte ich, dass ich mir wünschte, Cassia würde mich von sich aus wählen. In gewisser Weise ist die Tatsache, dass wir miteinander gepaart wurden, zu meinem Nachteil geworden. Wie kann sie mich lieben, wenn die Gesellschaft ihr vorschreiben wollte, dass sie mich lieben sollte?
Nachdem mir Cassia gebeichtet hatte, dass sie sich in Ky verliebt hatte, wusste ich genau: Wenn er
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