Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
meine hochgereckte Faust für eine Art Triumphzeichen, jubeln, schreien und strecken ebenfalls die Fäuste in die Luft. Ich kann nur noch gute Miene zum bösen Spiel machen, rufe: »Es lebe die Erhebung!«, und alle folgen meinem Beispiel.
Ich weiß genau, dass mich Connor gestoßen hat. Mit verschränkten Armen steht er am Ufer und beobachtet mich.
Auch unser Lager liegt nahe am Camas-Fluss, und sobald die anderen in der Kaserne verschwunden sind, um sich umzuziehen, laufe ich hinunter zu den flachen Steinen am Ufer und falte schon unterwegs das Blatt Papier auseinander. Wenn er ihren Brief an mich ruiniert hat …
Tatsächlich ist ein Teil der Nachricht ganz am Ende so durchnässt, dass die Zeilen unleserlich geworden sind. Ich befürchte schon das Schlimmste, doch der Rest des Briefs in Cassias vertrauter Handschrift ist noch erkennbar. Sie hat wie immer unseren Code leicht abgeändert, aber ich kann ihn schnell entziffern.
Es geht mir gut, aber meine Gedichte wurden größtenteils gestohlen.
Mach Dir also keine Sorgen, wenn Du nicht mehr ganz so oft von mir hörst. Ich werde einen Weg finden, so bald wie möglich zu Dir zu kommen. Ich habe schon einen Plan! Ky, ich weiß, dass Du Dich auf die Suche nach mir machen willst, um mich zu retten. Aber vertrau mir: Ich weiß mir selbst zu helfen.
Der Frühling naht. Das spüre ich. Hier ist alles in Ordnung, also so wie immer. Ich sortiere und warte. Wo immer ich kann, hinterlasse ich selbstgeschriebene Buchstaben.
Ich hatte recht. Dieser Brief ist alt. Die Seuche hat einige Vorgänge beschleunigt, andere hingegen verlangsamt. Die Handelswege sind nicht mehr so verlässlich wie früher. Vor wie vielen Wochen hat sie mir geschrieben? Eine Woche nach Ausbruch der Seuche? Zwei? Hat sie meine Nachricht je erhalten oder steckt der Brief noch in der Tasche eines Händlers, der versunken im medizinischen Zentrum lag?
Manchmal hadere ich damit, dass wir erneut nur bruchstückhaft voneinander erfahren, doch dann wieder schätze ich mich glücklich, dass wir uns wenigstens schreiben können. Dieses Geschenk – das erste von vielen, die ich von Dir bekommen habe – bedeutet mir jeden Tag mehr. Wir können wenigstens miteinander in Verbindung bleiben, bis wir uns wiedersehen.
Ich liebe Dich, Ky.
So beenden wir immer unsere Briefe. Aber diesmal folgt noch mehr.
Ich konnte es mir nicht leisten, zwei getrennte Briefe nach Camas zu schicken. Ich habe Dich noch nie darum gebeten und immer versucht, mit Dir und Xander auf getrennten Wegen zu kommunizieren. Doch könntest Du diesmal dafür sorgen, dass auch Xander diesen Brief erhält? Der nächste Teil ist für ihn bestimmt, und er ist sehr wichtig.
Die Nachricht an Xander hat Cassia mit einem einfachen Zahlencode verschlüsselt. Leider verschwimmen die Zeichen am Seitenende, wo das Papier bei meinem Sturz in den Fluss ins Wasser getaucht wurde, zu welligen Holzkohlestreifen.
Ich gerate in Versuchung, auch diesen Code zu entziffern. Ich könnte es, wenn ich wollte. Cassia weiß das, aber sie geht davon aus, dass sie mir vertrauen kann.
Das kann sie. Nie werde ich den Blick vergessen, mit dem sie mich in dem kleinen Haus in den Canyons angesehen hat, als sie erkannte, dass ich die Landkarte der Erhebung vor ihr verborgen hatte. Damals habe ich mir vorgenommen, mich nie mehr von meiner Angst zu solchen Täuschungsmanövern verleiten zu lassen. Ich wollte nie mehr so sein und diesen Teil meiner Persönlichkeit abstreifen. Jetzt bin ich ein Mensch, der zu vertrauen gelernt hat und dem man vertrauen kann.
Ich muss einen Weg finden, Xander diesen Brief zukommen zu lassen, auch wenn er unvollständig ist und auch wenn er mich womöglich verdächtigen könnte, daran schuld zu sein, dass ein Teil der Botschaft verlorengegangen ist.
Ich beschwere die Blätter mit einem kleinen Stein auf dem Felsen, so dass der Wind sie trocknen kann. Das wird nicht lange dauern. Hoffentlich fällt den anderen mein Fehlen nicht auf.
Als ich mich umdrehe, sehe ich Indie über die Steine balancieren. Sie hat eine trockene Uniform angezogen und setzt sich neben mich. Ich halte die Seiten mit einer Hand an der Ecke fest, damit der Wind sie auf keinen Fall wegweht. Ausnahmsweise sagt Indie nichts und stellt keine Fragen.
Stattdessen tue ich es. »Worin besteht dein Geheimnis?«, frage ich sie.
Sie sieht mich mit schief geneigtem Kopf fragend an.
»Wie schaffst du es, so perfekt zu fliegen?«, frage ich. »Zum Beispiel, als beim letzten Mal das
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