Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
mich nie erwischen. »Der Steuermann lässt euch immer nur zusammen fliegen, als würde er glauben, keiner von euch könnte es ohne den anderen.«
Indie lacht laut. »Das ist doch absurd«, sagt sie. »Der Steuermann weiß, dass ich alleine fliegen kann.«
»Vielleicht«, fährt Connor fort, und es ist so leicht, die schmutzige Anspielung vorauszuahnen, die er uns an den Kopf werfen will, »fliegt ihr deswegen immer zusammen, weil ihr …«
»Weil wir die Besten sind«, fällt Indie ihm ins Wort. »Ist doch klar, oder?«
Connor lacht, noch immer tropfend von seinem Sprung ins Wasser. Wie ein begossener Pudel steht er da in seiner nassen Uniform, ganz im Gegensatz zu Indies blendender Erscheinung. »Ganz schön eingebildet, was?«, höhnt er. »Du hältst dich wohl schon für die Nachfolgerin des Steuermanns, was?« Mit einem Blick über die Schulter will er sich vergewissern, dass die anderen über diese lächerliche Vorstellung grinsen. Aber keiner verzieht eine Miene.
»Natürlich«, erwidert Indie, als sei allein schon die Frage lächerlich.
»Das hoffen wir doch alle«, sagt ein Mädchen namens Rae. »Warum nicht? Wir dürfen doch jetzt träumen.«
»Im Gegensatz zu dir«, sagt Indie zu Connor. »Du musst dir einen anderen Traum suchen, denn du bist nicht gut genug, um Steuermann zu werden. Und das wirst du auch nie sein.«
»Ach ja?«, fragt er und lehnt sich mit fiesem Grinsen zu ihr hinüber. »Und woher willst du das wissen?«
»Weil ich mit dir geflogen bin«, antwortet sie. Connor lacht auf und setzt zu einer Erwiderung an, aber Indie lässt ihn nicht zu Wort kommen. »Du denkst immer nur an dich – wie es aussieht, was du tust, und wer gerade hinschaut.«
Connor wendet sich von ihr ab. Über die Schulter hinweg wirft er Indie Beleidigungen zu – was er mit ihr machen würde, wenn sie nicht verrückt wäre. Ich will ihm nachgehen.
»Lass ihn«, mahnt Indie vollkommen ungerührt. »Der zählt doch gar nicht.« Stimmt, aber trotzdem würde ich ihr gerne klarmachen, wie gefährlich es sein kann, sich so wenig um Leute wie Connor zu scheren. Doch was würde es schon nützen? Sie hört ja ohnehin nicht auf mich.
Der Spaß ist vorbei. Die meisten machen sich auf den Weg zurück ins Lager, um trockene Kleider anzuziehen. Einige der Piloten und Boten zittern vor Kälte, als sie an uns vorbeigehen. Fast alle sind in den Fluss gesprungen.
Im Gehen flicht Indie ihr langes nasses Haar. »Was wäre, wenn du einen beliebigen Verstorbenen wieder zum Leben erwecken könntest?«, nimmt sie den Faden von eben wieder auf. »Und sag jetzt nicht Cassia«, wendet sie leicht ungeduldig ein. »Um die geht es ausnahmsweise mal nicht, die lebt ja noch.«
Ich bin erleichtert, dass Indie das sagt, obwohl sie es natürlich nicht mit Sicherheit wissen kann. Doch immerhin hat mir Cassia eine Nachricht geschickt, was ebenfalls beruhigend ist. Wieder umfasse ich das Stück Papier und lächle.
»Wen ich von den Toten erwecken würde?«, frage ich Indie. »Warum willst du das wissen?«
Indie presst die Lippen zusammen. Im ersten Moment glaube ich, sie wolle mir nicht antworten, doch dann sagt sie: »Weil inzwischen alles möglich ist.«
»Du glaubst also, die Erhebung würde schaffen, was der Gesellschaft nie gelungen ist?«, frage ich, atemlos bei der Vorstellung. »Du glaubst, die Erhebung könne Verstorbene wieder zum Leben erwecken?«
»Bis jetzt noch nicht«, erwidert sie. »Aber angenommen, es ginge irgendwann? Meinst du nicht, dass der Steuermann das anstrebt? Denk doch nur an die alten Geschichten und Lieder über ihn, in denen es heißt, dass er uns errettet. Vielleicht sind damit nicht nur die Gesellschaft und die Seuche gemeint, sondern sogar der Tod …«
»Nein«, entgegne ich leise. »Du hast doch die Gewebeproben in der Höhle gesehen. Wie sollte man daraus jemanden zum Leben erwecken? Und selbst wenn man aus den Zellen einen Menschen klonen könnte, der dem Verstorbenen sehr ähnlich wäre, dann wäre es doch nie er selbst. Man kann niemanden zurückholen, das ist unmöglich. Verstehst du?«
Bockig schüttelt Indie den Kopf.
In dem Moment versetzt mir jemand von hinten einen Stoß, so dass ich das Gleichgewicht verliere und in Richtung Fluss stolpere. Ich kann gerade noch den Brief in meiner Tasche fest umklammern, bevor ich ins Wasser falle. Ich recke die Faust so hoch wie möglich und stoße mich so schnell ich kann vom Grund des Flusses ab.
Das Papier ist dennoch nass geworden.
Die anderen halten
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