Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)

Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)

Titel: Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
Vom Netzwerk:
alles gegeben – alles riskiert –, weil sie glaubten, ihre Kinder nur in Sicherheit bringen zu können, wenn sie sie fortschickten.«
    »Aber wohin denn?«, frage ich. »In die feindlichen Gebiete? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.«
    »Nein, sie brachten sie an die Grenze zu den feindlichen Gebieten«, entgegnet Lei. »In die sogenannten Steindörfer. Dort konnten sie entweder bleiben oder durch die feindlichen Gebiete bis an einen Ort namens Anderland flüchten. Niemand, der dorthin gereist ist, ist je zurückgekehrt.«
    »Das verstehe ich nicht«, wende ich ein. »Wieso sollte es sicherer sein, seine Kinder mitten ins Nirgendwo zu schicken, in die Nähe des Feindes, als sie in der Gesellschaft groß werden zu lassen?«
    »Vielleicht wussten sie von der Seuche«, sagt Lei. »Wobei es deinen Eltern wohl nicht so ging. Und meinen auch nicht.« Sie blickt mich an. »Du klingst ja fast so, als wolltest du die Gesellschaft verteidigen.«
    »Nein, so war das nicht gemeint.«
    »Ich weiß, tut mir leid«, sagt sie. »Ich wollte dir auch keine Geschichtslektion erteilen, sondern dir etwas erzählen.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Gut, dann also die Geschichte.« Sie hebt den Arm und beobachtet, wie die Flüssigkeit hineintropft. »Die Pilotin, von der ich eben erzählt habe, liebte ihren Freund, aber sie hatte zu Hause Verpflichtungen, die sie nicht vernachlässigen durfte, und auch Verpflichtungen ihren Vorgesetzten gegenüber. Wenn sie alle im Stich gelassen hätte, hätte sie zu vielen Menschen Leid zugefügt. Daraufhin flog sie den Mann, den sie liebte, weit hinaus nach Anderland. Das hatte noch niemand vor ihr getan.«
    »Und was ist dann passiert?«, will ich wissen.
    »Auf dem Rückweg wurde sie vom Feind abgeschossen«, antwortet Lei. »Sie konnte nie erzählen, was sie in Anderland gesehen hatte. Aber sie hatte ihren Geliebten gerettet, und in diesem Bewusstsein ist sie gestorben.«
    Schweigend lehnt sie sich an mich. Wahrscheinlich ist sie sich dessen gar nicht mehr bewusst, weil sie schon langsam versinkt.
    »Meinst du, du wärst dazu fähig?«, fragt sie mich.
    »Zu fliegen?«, frage ich. »Vielleicht.«
    »Nein, ich meine, jemanden gehen zu lassen, wenn du glaubtest, es wäre das Beste für ihn?«
    »Nein«, erwidere ich. »Es sei denn, ich wäre wirklich ganz sicher, dass es das Beste wäre.«
    Sie nickt, als hätte sie genau das von mir erwartet. »Das könnte wahrscheinlich fast jeder. Aber angenommen, du wüsstest es nicht genau und glaubtest es nur?«
    Sie weiß nicht, ob loszulassen das Beste ist. Aber sie wünscht es sich.
    »Diese Geschichte könnte niemals zu den Hundert gehören«, wende ich ein. »Das ist eine Grenzgeschichte, die sich nur dort draußen ereignen kann.«
    War sie früher Pilotin? Ist ihr Mann dort draußen? Hat sie ihn ausgeflogen und versinkt jetzt? Ist die Geschichte wahr? Oder wenigstens irgendetwas daran?
    »Von diesem Anderland habe ich noch nie etwas gehört«, sage ich.
    »Quatsch!«, erwidert sie, doch ich schüttele den Kopf.
    »Natürlich hast du das«, sagt sie herausfordernd. »Auch wenn du den Namen noch nie gehört hast, musst du doch wissen, dass es das Land gibt. Die Welt besteht doch nicht nur aus den Inneren Provinzen, sie ist auch nicht flach, wie die Landkarten der Gesellschaft uns glauben machen wollten. Wie sollte sonst die Sonne ihre Bahn ziehen? Oder der Mond? Und die Sterne? Hast du nie nach oben geschaut? Ist dir nie aufgefallen, dass sie wandern?«
    »Doch, klar.«
    »Aber du hast nie darüber nachgedacht, warum das so ist?«
    Ich werde feuerrot.
    »Natürlich nicht«, seufzt Lei leise. »Warum hätte man dir so etwas auch beibringen sollen? Schon seit deiner Geburt war festgelegt, dass du Funktionär werden würdest, und dieses Wissen gehört auch nicht zu den Hundert Wissenschaftslektionen.«
    »Und woher weißt du das alles?«, frage ich sie.
    »Weil mein Vater es mir beigebracht hat.«
    Es gibt so vieles, was ich sie gerne fragen möchte. Was für ein Mensch ist ihr Vater? Welche Farbe hatte ihr Kleid bei ihrem Paarungsbankett? Warum habe ich sie vorher nie danach gefragt? Jetzt bleibt uns keine Zeit mehr für solche Kleinigkeiten. »Du gehörst nicht zu den Gesellschaftssympathisanten«, stelle ich stattdessen fest. »Das war mir von Anfang an klar. Aber warum hast du dich nicht früher der Erhebung angeschlossen?«
    »Ich gehöre weder zur Erhebung noch zur Gesellschaft«, erwidert sie. Langsam tropft die Flüssigkeit in ihren Arm, doch sie kann

Weitere Kostenlose Bücher