Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
alle immun. Es muss etwas mit unserem Umfeld und unserer Lebensweise zu tun haben.«
»Trotzdem ist es ein himmelweiter Unterschied zwischen starken Abwehrkräften auf der einen und einem Heilmittel auf der anderen Seite. Die Immunisierung könnte euch gelingen, so dass die Gesunden geschützt sind, aber ob ihr auch die Kranken heilen könnt?«
»Selbst wenn wir ›nur‹ einen Impfstoff entwickeln, wäre das doch schon eine wertvolle Entdeckung«, erwidert Leyna.
»Aber nur, wenn ihr es rechtzeitig schafft«, gebe ich zu bedenken. »Wer bereits infiziert ist, kann nicht mehr geimpft werden. Daher sind wir ganz besonders wertvoll für euch.«
Aus der Ecke ertönt ein Schnauben. Oker erhebt sich und gesellt sich zu uns.
»Gratuliere!«, sagt er zu mir. »Du bist also doch nicht nur so ein hohles Gesellschaftssöhnchen, wie ich befürchtet habe.«
»Besten Dank.«
»Du warst Arzt zu Zeiten der Gesellschaft, richtig?«, fragt Oker.
»Stimmt«, sage ich.
Mit einer Handbewegung in meine Richtung sagt er zu Leyna: »Teile ihn meinem Labor zu, wenn ihr hier fertig seid.«
Sie ist nicht begeistert darüber, nickt aber trotzdem. »In Ordnung.« Als gute Chefin weiß sie genau, wer für das Projekt am wichtigsten ist, und wenn das auf Oker zutrifft, wird sie ihm alles zur Verfügung stellen, was er für seinen Erfolg braucht.
Es dauert fast die ganze Nacht, bis die Wissbegier der Versammlung befriedigt ist. Dann sagt Leyna: »Du solltest dich jetzt ausruhen. Komm, ich zeige dir deinen Schlafplatz.«
Sie führt mich durch das Dorf, und ich höre das Sirren der Zikaden. Hier, wo es weniger durch Hintergrundgeräusche überlagert wird, fällt es stärker auf als zu Hause in Oria.
»Stammst du aus dem Dorf?«, frage ich Leyna. »Es ist wunderschön hier.«
»Nein«, antwortet Leyna. »Ich bin in Camas aufgewachsen. Wir Aberrationen in den Grenzprovinzen sind am längsten geblieben. Manchmal haben wir Arbeit auf den Militärbasen gefunden. Als die Gesellschaft die letzten Anomalien und Aberrationen zusammengetrieben hat, sind wir in die Berge geflüchtet.«
Mit dem Blick in die Ferne gerichtet fährt sie fort: »Der Steuermann hat uns rechtzeitig gewarnt. Die Gesellschaft wollte uns alle umbringen. Wer nicht mitkommen wollte, wurde in die Äußeren Provinzen deportiert und dem sicheren Tod überlassen.«
»Deshalb vertraut ihr dem Steuermann«, stelle ich fest. »Weil er euch gewarnt hat.«
»Genau«, sagt sie. »Und weil er vielen von uns bei der heimlichen Flucht geholfen hat. Vielleicht hast du davon gehört, dass damals Anomalien und Aberrationen über Nacht spurlos verschwunden sind.«
»Ja, das habe ich. Die Flüchtlinge haben sich hierher oder nach Anderland gerettet.«
Leyna nickt.
»Und es ist nie jemand aus Anderland zurückgekehrt?«
»Bisher nicht«, sagt sie und bleibt vor einem Gebäude mit vergitterten Fenstern stehen. Ein Wachtposten neben der Tür nickt ihr zu. »Tut mir leid, es ist das Gefängnis«, sagt sie. »Wir kennen euch noch nicht gut genug, um euch unbeaufsichtigt zu lassen, daher müssen wir euch hin und wieder hier unterbringen, besonders nachts. Einige von den anderen, die der Steuermann hierhergebracht hat, waren weniger kooperativ als du. Sie sind dauerhaft hier untergebracht.«
Es ergibt Sinn. Ich würde dasselbe tun, wenn ich das Sagen hätte. »Und Cassia?«, frage ich. »Wo schläft sie?«
»Sie wird auch hier übernachten müssen«, sagt Leyna. »Aber wir holen euch bald wieder raus.«
»Warte!«, bitte ich sie. »Eines habe ich nicht verstanden.«
»Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt«, erwidert sie. »Wir kennen euch nicht und können es nicht riskieren, euch unbeaufsichtigt zu lassen.«
»Nein, das meine ich nicht«, entgegne ich. »Ich möchte wissen, warum ihr unbedingt nach Anderland wollt. Ihr wisst doch noch nicht mal, ob es existiert?«
»Es existiert!«, behauptet sie stur.
Weiß sie etwas, was ich nicht weiß? Möglicherweise erzählt sie mir nicht alles. Warum sollte sie auch? Wie sie ganz richtig betont hat, kennt sie mich nicht und kann mir nicht ohne weiteres vertrauen. »Aber es ist nie jemand von dort zurückgekehrt«, gebe ich zu bedenken.
»Leute wie du sehen es als erwiesen an, dass Anderland nicht existiert«, sagt Leyna. »Leute wie ich dagegen sehen es als erwiesen an, dass es dort so wunderschön ist, dass niemand je zurückkehren will.«
Kapitel 28
Cassia
Wo bist du, Ky?
Das, wovor ich immer am meisten Angst hatte, ist
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