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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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wir aufbrechen«, sagt Indie. In den wenigen Sekunden, in denen wir die ersten Worte gewechselt haben, hat sich das Licht verändert. Ich kann sie schon besser erkennen.
    Indie wählt eine ideale Stelle, das erkenne sogar ich. Die Felswände sind nicht annähernd so hoch und steil wie anderswo, und infolge eines alten Steinschlags stapeln sich auf einem Teil des Aufstiegs Felsbrocken.
    Dennoch stellen die Wände der Schlucht eine Herausforderung dar, und ich habe wenig Übung – abgesehen von dem kurzen Stück, das wir gestern Abend noch geklettert sind, bevor wir uns schlafen legten.
    Indie streckt gebieterisch den Arm aus. »Gib mir deinen Rucksack.«
    »Wie bitte?«
    »Du bist das Klettern nicht gewöhnt«, erwidert Indie nüchtern. »Ich packe deine Sachen in meinen Rucksack, und du kannst deinen leer tragen. Das ist einfacher. Ich möchte nicht, dass du durch das Gewicht abstürzt.«
    »Bist du sicher?« Plötzlich habe ich das Gefühl, Indie mit dem Inhalt meines Rucksacks zu viel zu überlassen. Außerdem will ich mich nicht von den Tabletten trennen.
    Indie sieht mich ungeduldig an. »Ich weiß, was ich tue. Genau wie du mit den Pflanzen.« Sie runzelt die Stirn. »Komm schon. Im Flugschiff hast du mir auch vertraut.«
    Sie hat recht, und das erinnert mich an etwas. »Indie«, frage ich, »was hast du eigentlich mitgebracht? Was musstest du im Schiff verstecken?«
    »Nichts«, antwortet sie.
    »Nichts?«, wiederhole ich erstaunt.
    »Ich habe befürchtet, du würdest mir nicht vertrauen, wenn ich nicht auch etwas zu verlieren hätte«, erklärt sie, grinsend.
    »Aber im Dorf hast du doch so getan, als würdest du dir etwas von mir zurückholen«, erwidere ich.
    »Ich weiß«, sagt sie, ohne eine Spur von Reue in der Stimme. Ich schüttelte den Kopf und muss unwillkürlich lachen, als ich den Rucksack ausziehe und ihn ihr reiche.
    Sie öffnet ihn und leert den Inhalt – Taschenlampe, Pflanzenblätter, leere Wasserflasche, blaue Tabletten – in ihren eigenen Rucksack.
    Plötzlich habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich hätte mit allen blauen Tabletten abhauen können, und trotzdem hat sie mir vertraut. »Du solltest nachher ein paar von den Tabletten behalten«, sage ich.
    Indies Ausdruck verändert sich. »So so«, sagt sie skeptisch. »Na schön.«
    Sie gibt mir meinen leeren Rucksack zurück, und ich streife ihn über die Schultern. Beim Klettern behalten wir unsere Mäntel an, wodurch wir zwar ein bisschen schwerfälliger sind, aber Indie meint, es sei einfacher, als sie auf dem Rücken zu tragen. Sie schultert ihren Rucksack, und darüber schwingt ihr langer, geflochtener Zopf, der fast so intensiv wie die Felswände leuchtet, wenn die Sonne aufgeht. »Fertig?«, fragt sie.
    »Ich denke schon«, antworte ich und schaue am Felsen empor.
    »Bleib hinter mir«, befiehlt sie. »Ich sage dir unterwegs, was du tun sollst.«
    Sie hakt ihre Finger in die Felsspalten und zieht sich hinauf. In meinem Eifer, ihr zu folgen, stoße ich einen kleinen Haufen Steine um. Polternd stürzen sie ab, und ich klammere mich am Gestein fest.
    »Nicht runterschauen!«, mahnt Indie.
     
    Klettern dauert viel länger als Fallen.
    Es erstaunt mich, wie viel davon aus Festhalten und Warten besteht, während man über den nächsten Schritt nachdenkt und ihn dann in Angriff nimmt. Meine Finger greifen fest in das Gestein, und meine Zehen krümmen sich, so gut sie können. Ich konzentriere mich vollständig auf meine Aufgabe, und obwohl ich nicht bewusst an Ky denke, bedeutet das irgendwie, dass ich vollständig in den Gedanken an ihn aufgehe. Weil ich gerade bin wie er.
    Die Felswände hier sind rötlich-orange mit schwarzen Einsprengseln. Ich weiß nicht, wo das Schwarz herkommt, fast sieht es aus, als hätte einst ein von Teer gesättigter Ozean an den Wänden geleckt.
    »Du machst das gut«, lobt mich Indie, als ich neben ihr auf einen Felsvorsprung klettere. »Jetzt kommt das schwierigste Stück«, fährt sie fort. »Lass es mich zuerst ausprobieren.«
    Ich sitze auf dem Vorsprung und lehne mich mit dem Rücken an die Wand. Meine Arme schmerzen vom Festklammern. Ich stelle mir vor, der Felsen würde uns halten, uns wiegen, wenn wir uns an ihn krallen, aber das tut er nicht. »Ich glaube, ich hab’s!«, ruft Indie leise herunter. »Wenn du hier raufkommst …«
    Ich höre Steine fallen, Haut über Felsen schaben. Ich springe auf. Der Vorsprung ist schmal, und es ist schwer, das Gleichgewicht zu halten. »Indie!«
    Sie baumelt

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