Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
erledigte alles in Windeseile, um bald wieder daheim zu sein und mich in die Hausaufgaben vertiefen zu können.
Die vielen Fernseher waren eine beständige Verlockung. Ich war sehr einsam in dem leeren Haus; entgegen Kittys Warnung, niemals alleine den Fernseher anzumachen, wurde ich bald süchtig nach Schnulzenfilmen. Ich träumte sogar in der Nacht von den Personen. Die hatten ja noch mehr Probleme als die Casteels, allerdings keine finanziellen Sorgen, und unsere Probleme hingen alle vom Geld ab – so erschien es mir zumindest jetzt.
Täglich sah ich im Briefkasten nach Briefen von Logan nach, die regelmäßig kamen. Und immer hoffte ich auf einen Brief von Tom, der aber nie eintraf. Eines Tages, aus lauter Enttäuschung darüber, daß ich nichts von Tom hörte, schrieb ich einen Brief an Miß Deale und erzählte ihr, wie wir verkauft worden waren, und bat sie, mir bei der Suche nach meinen Brüdern und nach meiner Schwester zu helfen.
Die Wochen vergingen, und immer noch kein Brief von Tom. Der Brief, den ich an Miß Deale geschickt hatte, kam mit dem Stempel »Empfänger unbekannt verzogen« zurück.
Dann hörte Logan zu schreiben auf! Mein erster Gedanke war, daß er eine neue Freundin hatte. Tief betrübt hörte auch ich auf, ihm zu schreiben. Jeder Tag ohne einen Brief von Logan bewies mir, daß niemand – außer Cal – mich so liebte, wie ich es verdiente. Cal war mein Retter und der einzige Freund, den ich auf der Welt besaß. Ich war in zunehmendem Maße auf ihn angewiesen. Leben kam in das stille Haus, wenn er durch die Tür trat, den Fernseher anschaltete, und ich die ganze Hausarbeit vorerst liegenlassen konnte. Wenn es auf sechs Uhr zuging, fing ich an, sehnsüchtig auf ihn zu warten. Das Essen stand schon bereit. Ich bemühte mich, den Tisch hübsch zu decken, und ich stellte immer Gerichte zusammen, die er mochte. Stundenlang kochte ich seine Lieblingsspeisen, und es war mir jetzt gleichgültig, ob Kitty von der italienischen Küche, die er und ich vorzogen, zunahm oder nicht. Wenn die Uhr am Kaminsims sechs schlug, spitzte ich die Ohren, um seinen Wagen vor der Auffahrt zu hören. Ich lief ihm im Gang entgegen und nahm ihm den Mantel ab. Ich liebte das tägliche Begrüßungsritual.
»Na, wie geht’s, Heaven? Was gibt’s Neues?«
Sein Lächeln brachte Licht in mein Leben; seine Späße erfüllten es mit Lachen. Ich fing an, in ihm einen vollkommenen Menschen zu sehen und vergaß alle seine Schwächen gegenüber Kitty. Das Schönste war, daß er zuhören konnte, wenn ich ihm etwas erzählte. Ich sah in ihm den Vater, den ich immer gewollt und gebraucht hatte, der mich nicht nur liebte, sondern mich auch akzeptierte. Er verstand mich, er kritisierte mich niemals, und, gleichgültig was es war, er stand mir immer zur Seite. Aber bei Kitty half das nicht viel.
»Ich schreibe und schreibe, aber Fanny antwortet nicht, Cal. Ich habe ihr fünf Briefe geschrieben, seitdem ich hier bin, und sie hat mir nicht einmal eine Postkarte geschickt. Würdest du deine Schwester so behandeln?«
»Nein«, sagte er mit einem traurigen Lächeln, »aber meine Familie schickt mir keine Briefe, also schreibe ich ihr auch nicht – jedenfalls nicht, seitdem ich mit Kitty verheiratet bin, die meine Zuneigung ganz für sich beansprucht.«
»Tom schreibt auch nicht, obwohl ihm Logan meine Adresse gegeben hat.«
»Vielleicht hat er nicht die Zeit, um Briefe zu schreiben, oder Buck Henry läßt es nicht zu, daß Tom seine Briefe abschickt.«
»Aber Tom könnte doch sicherlich einen Weg finden…?«
»Wart’s nur ab. Eines Tages findest du einen Brief von Tom in unserem Postkasten, dessen bin ich mir ganz sicher.«
Ich liebte ihn dafür, daß er so sprach; daß er mir das Gefühl gab, ich sei hübsch; daß er mir sagte, ich sei eine gute Köchin; und daß er meine Hausarbeit zu würdigen wußte. Kitty hingegen sah nur, wenn ich etwas falsch gemacht hatte.
Die Wochen vergingen, und Cal und ich kamen uns immer näher, wie Vater und Tochter. (Oft kam Kitty erst gegen zehn oder elf Uhr abends nach Hause.) Cal war das Beste in meinem Leben in Candlewick, und ich versuchte manchmal für ihn etwas Besonderes vorzubereiten. Er hatte einen Schwäche für Eierspeisen, also wollte ich ihm etwas kochen, worum er Kitty schon oft gebeten hatte – Käsesouffle. Eine unterhaltsame Fernseh-Köchin brachte mir alles mögliche über Feinschmecker-Gerichte bei.
Der geeignetste Zeitpunkt dazu war nach meiner Meinung ein Samstag, an
Weitere Kostenlose Bücher