Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
jemandem umzuschauen.
Wie immer in Liebe
Dein Logan
Ich weinte vor Glück.
Kurz nachdem ich Logans Brief erhalten hatte, wurde ich sechzehn Jahre alt. Ich war mittlerweile klug genug, um nicht unnötig die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und sagte Cal und Kitty kein Wort davon. Aber Cal hatte es irgendwie doch herausbekommen und machte mir ein wunderbares Geschenk – eine Schreibmaschine!
»Sie soll dir bei den Hausaufgaben behilflich sein.« Er strahlte vor Freude über meine Begeisterung. »Nimm einen Schreibmaschinenkurs in der Schule. Es kann nie schaden, Maschine schreiben zu können.«
Aber die Schreibmaschine, so sehr ich mich darüber freute, war nicht mein schönstes Geschenk an meinem sechzehnten Geburtstag. Nein, es war die riesengroße Glückwunschkarte mit einem Gedicht, in der ein seidenes Kopftuch und ein Brief von Logan lagen.
Trotzdem sehnte ich mich auch danach, von Tom etwas zu hören. Er hatte nun meine Adresse; warum schrieb er dann nicht?
In der Mädchenschule gelang es mir, einige Freundinnen zu finden, die mich öfter zu sich nach Hause einluden. Keine verstand, warum ich immer absagte. Verzweifelt bemerkte ich, daß sie sich nach und nach zurückzogen. Wie konnte ich ihnen nur erklären, daß Kitty mir schlankweg verbot, Freunde zu haben, die vielleicht meine Zeit für die tägliche Hausarbeit schmälern würden? Die Jungens, die sich mit mir verabreden wollten, wies ich ebenfalls zurück, allerdings aus etwas anderen Gründen. Ich wollte nicht mit ihnen, sondern mit Logan ausgehen. Ich wartete auf Logan, und ich hatte keine Zweifel, daß er das gleiche tat.
Ich schuftete im Haushalt, aber nie blieb es sauber und ordentlich, da Kitty mit ihrer Achtlosigkeit innerhalb kürzester Zeit die Arbeit von zehn Stunden zunichte machte. Die Pflanzen, die ich goß und düngte, gingen vor zuviel Pflege ein, und Kitty beschimpfte mich. »Jeder Idiot kann Pflanzen pflegen, jeder Idiot!«
Sie entdeckte die Wasserflecken auf ihren Seidenblumen und ohrfeigte mich, weil ich mich wie das Lumpenpack aus den Bergen benahm. »Du denkst bloß an Jungs, ich seh’s deinen Augen an!« schnarrte sie, als sie mich eines Nachmittags beim Nichtstun erwischte. »Sollst nicht im Wohnzimmer sitzen, wenn wir nicht da sind! Der Fernseher ist verboten, wenn du allein bist! Du hast zu arbeiten, verstehst du?«
Jeden Morgen stand ich früh auf, um für Kitty und Cal das Frühstück vorzubereiten. Selten kam sie zum Abendessen vor sieben, acht Uhr nach Hause, und um die Zeit hatten Cal und ich schon gegessen. Merkwürdigerweise störte sie das nicht. Fast erleichtert plumpste sie auf einen der Küchenstühle und starrte auf ihren Teller, bis ich das Essen servierte und sie sich wie eine Wölfin darüber hermachte. In Sekundenschnelle verschlang sie ihre Lieblingsspeisen, ohne sie recht zu würdigen, für die ich mir doch soviel Zeit und Mühe genommen hatte.
Bevor ich ins Bett gehen durfte, mußte ich die Küche wieder aufräumen und in den Zimmern nachsehen, ob alles auf seinem Platz war und keine Zeitschriften oder Zeitungen auf den Tischen oder auf dem Boden herumlagen.
In der Frühe machte ich schnell mein Bett, bevor Kitty kam, um nachzusehen, dann rannte ich die Treppe hinunter und bereitete das Frühstück vor. Vor der Schule ließ ich die Waschmaschine laufen, während ich die Betten machte, dann räumte ich die Geschirrspülmaschine ein und wischte alle Flecken und Fingerabdrücke weg. Erst wenn ich die Tür hinter mir zumachte, fühlte ich mich frei.
Ich war gut genährt und besaß warme Kleidung, aber trotzdem gab es Zeiten, in denen ich mich nach Hause sehnte und all den Hunger, die schreckliche Kälte und die Entbehrungen, die eigentlich Spuren bei mir hätten hinterlassen müssen, vergaß. Ich vermißte Tom. Ich sehnte mich nach Unserer-Jane und Keith, nach Großvater und sogar nach Fanny. Logans Briefe stellten wenigsten noch eine Verbindung zwischen uns beiden her.
Ich fuhr jetzt jeden Tag mit dem Schulbus, da es ständig regnete und Kitty mir keinen Regenmantel und Regenstiefel kaufen wollte. »‘s wird bald Sommer«, sagte sie, als gäbe es gar keinen Frühling dazwischen – der weckte die Sehnsucht nach Hause wieder in mir. Frühling war in den Bergen die Jahreszeit der Wunder, wenn das Leben wieder leichter wurde und die Berge mit Blumen übersät waren, eine Pracht, die Candlewick nie erleben würde. In der Schule lernte ich mit weit größerem Eifer als die anderen Schülerinnen. Ich
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