Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
man die Nägel richtig pflegt. »Du darfst nicht dauernd an deinen Nägeln herumkauen und mußt nu’ anfangen, eine richtige Frau zu werden. Für die Hillbilly-Mädchen ist es ja nu’ keine Selbstverständlichkeit, sich so anmutig und fein wie eine richtige Frau zu geben. Es dauert seine Zeit, und es kostet Anstrengung, außerdem muß man dabei viel Geduld mit den Männern haben.«
Die Klimaanlage machte ein leises, schwirrendes und hypnotisierendes Geräusch.
»Sind sich alle gleich, weißt du, auch die Süßholzraspler. Solche wie Cal. Wollen alle nur eines, und als Hillbilly-Mädchen weißt du ja, was es ist. Wollen nur bumsen, und wenn du dann ‘n Baby kriegst, wollen sie’s nicht. Sagen dann, ‘s ist nicht von ihnen, auch wenn es stimmt. Wenn sie dir ‘ne Krankheit andrehen, ist es ihnen egal. Also hör auf meine Ratschläge und fall auf keinen dieser Schmeichelbubis – meinen mit eingeschlossen – herein.«
Kitty hatte meine Nägel hellrosa angemalt. »So. Sehen jetzt besser aus, weil du nicht mehr mit dem Waschbrett und mit Seifenlauge hantierst. Die Knöchel sind nicht mehr so rot geschwollen. Gesicht ist auch wieder in Ordnung – also, fehlt dir was?«
»Nein.«
»Nein, was?«
»Nein, Mutter.«
»Liebst mich doch, oder?«
»Ja, Mutter.«
»Würdest mir doch nichts wegnehmen, oder?«
»Nein, Mutter.«
Kitty stand auf. »Hab’ noch einen harten Arbeitstag vor mir. Racker’ mich ab, um die anderen schön zu machen.« Sie seufzte tief und sah auf ihre Stöckelschuhe herab. Für eine so große Frau hatte sie auffallend zierliche Füße; ebenso wie ihre Taille, schienen sie einer zarten und schmächtigen Person zu gehören.
»Mutter, warum trägst du bei der Arbeit nicht Schuhe mit flachen Absätzen? Es ist doch unnötig, daß du den ganzen Tag so unbequeme, schmerzhafte Schuhe trägst.«
Kitty sah geringschätzig auf meine nackten Füße. Ich versuchte, sie unter dem weiten Rock, der beim Sitzen bis auf den Boden reichte, zu verbergen.
»Die Schuhe, die man trägt, verraten den Charakter, und meiner ist aus dem richtigen Material, nämlich aus Stahl. Ich kann Schmerzen ertragen, ich kann leiden – du eben nicht.«
Ihre Art zu denken, war ganz schön verrückt. Ich schwor mir, daß ich ihre zu kleinen Schuhe nie wieder erwähnen würde, die ihre Zehen verunstaltet hatten. Sollte sie doch Fußschmerzen haben – was ging mich das an?
Der Sommer bestand fast nur aus Hausarbeit, und nur an Samstagen ging ich aus. Bald kündigte sich der Herbst an, und in den Auslagen der Geschäfte waren Pullover, warme Röcke, Mäntel und Stiefel zu sehen. Acht Monate war ich schon hier. Logan hatte wieder begonnen, mir zu schreiben, aber immer noch hatte ich kein einziges Wort von Tom gehört. Es bedrückte mich so sehr, daß ich schon alle Hoffnung aufgeben wollte… und dann… lag eines Tages im Briefkasten… ein Brief!
O Thomas Luke, es ist wunderbar deine Schrift zu sehen, bitte laß mich nur gute Nachrichten von dir hören.
Mit seinem Brief in der Hand kam es mir vor, als stünde Tom leibhaftig neben mir. Ich setzte mich schnell hin und öffnete seinen Brief, ohne seine Adresse zu zerreißen. Er schrieb mit dem Charme eines Bergjungen, aber etwas Neues war hinzugekommen… Etwas, womit ich nicht gerechnet hatte und worauf ich, entgegen meiner Absicht, eifersüchtig war.
Liebe Heaven,
Mann, ich hoffe ehrlich, Du kriegst diesen Brief. Habe mir schon die Finger wundgeschrieben, und Du hast mir nie eine Antwort geschickt! Ich sehe Logan hie und da, und er sagt mir dauernd, ich soll Dir ja schreiben. Das tu’ ich doch auch, nur weiß ich nicht, was mit all meinen Briefen geschieht, aber ich gebe nicht auf. Heavenly, ich möchte, daß Du gleich als erstes weißt, daß es mir gutgeht. Mr. Henry ist weder grausam noch gemein, wie Du wahrscheinlich angenommen hast. Und er kann das Beste aus einem rausholen.
Ich lebe auf einer Farm mit zwölf Zimmern. Eines davon gehört mir. Es ist ein hübsches Zimmer, sauber und einfach. Er hat zwei Töchter, eine heißt Laura und ist dreizehn Jahre, und die andere heißt Thalia und ist sechzehn. Beide sind hübsch und so nett, daß ich mich noch nicht entschieden habe, welche ich lieber mag. Laura ist lustig, Thalia hingegen eher ernst und nachdenklich. Beiden habe ich von Dir erzählt, und sie können es nicht erwarten, Dich kennenzulernen.
Logan hat mir von der Operation an Unserer-Jane berichtet und gesagt, daß es ihr gutgeht und Keith auch.
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