Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
dann bereitete ihr das Geräusch der Schreibmaschine angeblich Kopfschmerzen. Ihr bereitete sowieso alles Kopfschmerzen.
Cal kümmerte sich darum, daß ich Dutzende von neuen Kleidungsstücken bekam; Röcke, Blusen, Hosen, Shorts, Badeanzüge. Es waren Sachen, die Cal und ich auf unseren Einkaufsbummeln in Atlanta besorgt hatten und die er in einem der Schränke im Keller aufbewahrte, von denen Kitty meinte, daß sie gefährliches Werkzeug enthielten. Kitty fürchtete sich vor seinem elektrischen Werkzeug fast ebenso wie vor Insekten. In der Besenkammer im Gang waren meine häßlichen, übergroßen Kleider, die Kitty mir ausgesucht hatte, untergebracht. Sie hingen zwischen dem Staubsauger, den Wischlappen, Besen, Kübeln und anderen Gerätschaften. Es stand zwar auch ein Schrank in meinem Zimmer, aber der blieb immer verschlossen.
Ich besaß nun zwar die passenden Kleider, aber ich mußte doch alle Einladungen abschlagen, weil ich ja sofort nach der Schule in unser ach so pflegebedürftiges Haus eilen mußte. Die Hausarbeit stahl mir meine Jugend. Ich haßte die vielen Pflanzen; ich haßte die ausladenden Elefanten-Tische mit den lächerlichen Edelstein-Imitationen, die zudem einzeln poliert werden mußten. Wenn nur nicht die Tischflächen so beladen gewesen wären, dann hätte ich wenigstens mit dem Staubtuch auf einmal darüberfahren können, aber so mußte ich ständig etwas verrücken und dabei aufpassen, daß das Holz keinen Kratzer abbekam. Dann mußte ich schnell noch Kittys Unterwäsche zusammenlegen, ihre Kleider und Blusen im Schrank aufhängen, die Handtücher in den Wäscheschrank legen und darauf achten, daß nur die gefalteten Seiten übereinander lagen und vorne sichtbar waren. Mit tausend Regeln und Geboten machte Kitty aus ihrem Haus ein Ausstellungsstück – und dabei kamen eigentlich nur ihre »Mädels«, um es zu bewundern.
Die Samstagnachmittage aber waren mehr als eine Entschädigung für die Gemeinheiten Kittys, die sie außerdem als meine gerechte Strafe betrachtete. Die Ohrfeigen, die ich bei jedem nichtigen Anlaß bekam, die grausamen Worte, die mein Selbstwertgefühl vernichten sollten, wurden durch die Kinogänge, die köstlichen Speisen in den Restaurants und durch die Spaziergänge durch Vergnügungsparks mehr als wettgemacht. In den Parks fütterten Cal und ich die Elefanten mit Erdnüssen und warfen dem Federvieh getrocknete Maiskörner zu. Ich konnte immer schon gut mit Tieren umgehen, und Cal war entzückt von meiner Fähigkeit, mit den Hühnern, Enten, Gänsen und sogar mit den Elefanten zu »sprechen«.
»Was ist dein Geheimnis?« fragte er mich lachend, während ein scheu aussehendes Zebra mir gerade mit seiner weichen Schnauze aus der hohlen Hand fraß. »Zu mir kommen sie nicht so wie zu dir.«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich mit einem kleinen, geheimnisvollen Lächeln, denn Tom hatte das auch immer gefragt. »Ich mag die Tiere, und vielleicht spüren sie das auf irgendeine Weise.« Ich erzählte ihm dann von unserem Hühnerdiebstahl, und wie es mir nicht gelungen war, einen der Farmerhunde von meinen guten Absichten zu überzeugen.
Schließlich wurde es Herbst, und der frische Wind wirbelte die Blätter durch die Luft. Melancholische Gedanken an die Berge und an Großvater überkamen mich jetzt. In einem Brief hatte mir Logan geschrieben, wo Vater Großvater untergebracht hatte, daraufhin schrieb ich ihm einen Brief. Großvater konnte zwar nicht lesen, aber es gab bestimmt jemanden, der ihm den Brief vorlesen würde. Ich fragte mich, ob Fanny ihn wohl jemals besuchte und ob Vater hie und da nach Winnerrow kam, um Fanny und Großvater zu sehen. So viele Fragen gingen mir durch den Kopf, daß ich manchmal wie betäubt umherwandelte, so als wäre ein Teil von mir noch in den Willies, den finsteren Bergen.
Ich pflanzte Tulpen, Narzissen, Iris und Krokusse, wobei Cal mir half, während Kitty im Schatten saß und herumkommandierte. »Ihr müßt es richtig machen. Mach mir bloß nicht meine teuren Tulpenzwiebeln aus Holland kaputt, du Hillbilly-Miststück.«
»Kitty, wenn du sie noch einmal so nennst, dann schmeiße ich dir die ganzen Regenwürmer in den Schoß«, drohte Cal.
Sofort sprang sie auf und verschwand im Haus. Wir sahen uns an und lachten schallend. Mit seiner behandschuhten Hand berührte er mein Gesicht. »Warum hast du keine Angst vor Würmern, Käfern und Spinnen? Sprichst du auch ihre Sprache?«
»Nein. Ich mag sie genausowenig wie Kitty, aber ich habe
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