Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
im April kehrte Kitty von einem Einkaufsbummel mit vielen Sachen für mich zurück. Sie hatte drei neue Sommerkleider für mich erstanden, die mir diesmal wie angegossen paßten. Sie erlaubte mir auch, daß ich mir hübsche Schuhe aussuchte: je ein Paar in Rosa, Blau und Weiß – passend zu jedem Kleid!
»Will nicht, daß meine Leute glauben, ich behandle dich nicht richtig. Hab’ dir die Sachen so früh gekauft, um noch Auswahl zu haben. Die Läden bieten dir Sommersachen im Winter an, und die Wintersachen bekommst du schon im Sommer; man muß sich mächtig beeilen, oder man bekommt nichts mehr.«
Irgendwie dämpften ihre Worte meine Begeisterung für die schönen Kleider, die wieder nur aus dem Grund gekauft worden waren, um ihren Eltern, von denen Kitty sagte, daß sie sie haßte, etwas zu beweisen.
Einige Tage später nahm Kitty mich zum zweiten Mal in ihren Salon mit und stellte mich ihren neuen »Mädels« als ihre Tochter vor. Sie schien sehr stolz auf mich zu sein. Der Laden war jetzt noch größer und luxuriöser, mit Kristall-Lüstern und indirekter Beleuchtung. Sie beschäftigte Fachkräfte aus Europa, die in kleinen Kabinen Gesichtskosmetik machten und dabei Vergrößerungsgläser verwendeten, mit denen sie auch noch die kleinste Unebenheit im Gesicht ausmachen konnten. Kitty setzte mich auf einen verstellbaren rosa Sessel. Zum ersten Mal in meinem Leben wurden meine Haare in einem Friseursalon gewaschen, geschnitten und gelegt. Ich saß da, eingehüllt in einen Plastikumhang, und starrte in den großen Spiegel vor mir. Ich hatte schreckliche Angst, daß meine Frisur Kitty nicht gefallen würde. Sie war imstande, die Schere zu nehmen und meine Haare nochmals zu kürzen. Angespannt saß ich da und war bereit, sofort aufzuspringen, falls sie vorhatte, noch mehr abzuschneiden. Alle acht »Mädels« standen um mich herum und bewunderten Kittys Frisierkunst. Sie machte keinerlei Anstalten, das Haar noch mehr zu kürzen, sondern legte es zurecht und schnippelte die Spitzen ab. Als sie fertig war, trat sie einen Schritt zurück und lächelte ihre »Mädels« an.
»Hab’ ich euch nicht gesagt, daß meine Tochter eine Schönheit ist? Du hast sie doch gesehen, als sie zum ersten Mal hier war – hat sie sich nicht herausgemacht? Sieht man ihr doch an, daß sie gut behandelt worden ist und gut genährt wurde. Sie ist meine eigene Tochter, und Mütter sollten nicht mit ihren Töchtern angeben, aber ich kann nu’ mal nicht anders, sie ist einfach zu hübsch – und sie ist mein, mein ganz allein.«
»Kitty«, erkundigte sich die Älteste von ihnen, eine Frau etwa um die Vierzig, »ich wußte nicht, daß du ein Kind hast.«
»Wollt’ nicht, daß ihr mich nicht achtet, weil ich so früh geheiratet hab’«, antwortete ihr Kitty mit einem Anflug von Ehrlichkeit. »Sie ist nicht Cals Kind, aber sie sieht ihm doch ähnlich, nicht?«
Nein, ich sah ihm nicht ähnlich.
Ich sah es ihren Mitarbeiterinnen an, daß sie ihr nicht glaubten, aber Kitty bestand darauf, daß ich ihr Kind sei, obwohl sie ihren »Mädels« früher etwas anderes erzählt hatte. Später, als sich die Gelegenheit bot, erzählte ich Cal den Vorfall. Er runzelte die Stirn und sah unglücklich drein.
»Sie verliert den Boden unter den Füßen, Heaven. Sie lebt in einer Traumwelt. Sie macht sich vor, daß du das Kind bist, das sie abgetrieben hat. Es wäre jetzt etwas älter als du. Vermeide alles, was ihren Zorn erregen könnte, denn bei ihr weiß man wahrhaftig nicht, was sie in der nächsten Sekunde tun wird.«
Wie eine Zeitbombe mit einer sehr langen Zündschnur…
Alles, was ich zu tun hatte, war ein Streichholz daran zu halten.
Damals aber, als Kitty sich um mein Aussehen kümmerte, war ich so kindisch, mich zu freuen und ihr dankbar zu sein, wie immer, wenn sie nur die kleinste Kleinigkeit für mich tat. Wenn sie mir einen Gefallen tat, dann hütete ich die Erinnerung daran wie kostbare Edelsteine.
Ich wachte in der Früh mit einer, wie mir schien, tollen Idee auf. Ich würde Kitty eine Überraschung bereiten, vielleicht auch, um den immer größer werdenden Groll, den ich gegen sie hegte, zu verbergen. Jetzt, da sie mich weniger quälte, fürchtete ich mich noch mehr vor ihr. Es lag etwas Unheimliches in ihren blassen und seltsamen Augen.
An dem Tag, an dem das Frühlingsfest für Kitty steigen sollte, rief Cal frühmorgens an. »Ist es nicht zu viel Arbeit? Außerdem können wir es eigentlich nicht vor ihr geheimhalten«,
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