Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
daß sie aufstehen und mich beschimpfen, weil ich mich mit dir unterhalten hab. Mach dich bloß auf ‘n Weg, Heaven Leigh. Will dich nicht kennen; wünscht’ mir, ich hätt’ dich nie gesehen; kann mich überhaupt nicht an dich und an die alten Tage erinnern, wo wir als Kinder in den Bergen gelebt haben. Ich weiß nur, daß wir hungrig waren, gefroren haben und hinten und vorn nichts gereicht hat.«
Schnell stellte ich meinen Fuß in die Tür, bevor Fanny sie mit Wucht zuschlug und ich die Tür nicht mehr aufhalten konnte. »Jetzt wart mal einen Augenblick, Fanny Louisa Casteel! Ich habe über zwei Jahre lang Tag und Nacht an dich gedacht. Du kannst mich nicht so wegschicken! Ich will wissen, wie es dir geht, ob man dich gut behandelt. Ich mag dich, Fanny, auch wenn du mich nicht magst. Ich erinnere mich noch an die guten Zeiten, die wir in den Bergen hatten. Die schlechten versuche ich zu vergessen. Ich weiß noch, wie wir uns aneinander gekuschelt haben, um uns gegenseitig zu wärmen. Ich liebe dich, auch wenn du immer schon eine Pest warst.«
»Verschwinde von dieser Veranda«, schluchzte Fanny jetzt laut. »Kann nichts für dich tun, überhaupt nichts.«
Mit brutaler Gewalt stieß sie meinen Fuß weg und schlug die Tür zu. Sie sperrte von innen ab. Ich stand allein auf der Veranda.
Fast blind vor Tränen stolperte ich die Treppe hinunter. Logan nahm mich in seine Arme. »Zum Teufel mit ihr, daß sie so mit dir geredet hat«, versuchte er mich zu trösten.
Ich riß mich aus seiner Umarmung los. Fannys Gleichgültigkeit hatte mich so getroffen, daß ich am liebsten laut aufgeschrien hätte. Warum brachte man Leuten so viel Liebe entgegen, die einen ja doch nur wegstießen, wenn man nicht mehr gebraucht wurde?
Was kümmerte es mich eigentlich, wenn ich Fanny verlor? Sie war doch nie eine gute Schwester gewesen… Warum tat es dann so weh? »Geh weg, Logan« schrie ich und schlug mit Fäusten auf ihn ein, als er mich umarmen wollte. »Ich brauche dich nicht – ich brauche überhaupt niemanden!«
Ich wandte mich von ihm ab, aber er packte mich am Handgelenk und legte seine starken Arme um mich. »Heaven«, rief er. »Was ist denn los? Was habe ich dir getan?«
»Laß mich«, flehte ich nur mehr schwach.
»Hör mal zu«, bat er inständig, »du läßt deine Wut an mir aus, weil Fanny dich gekränkt hat. Sie war schon immer eine boshafte Schwester, nicht wahr? Ich habe es schon auf dem ganzen Weg hierher geahnt, daß sie sich so verhalten würde. Es tut mir sehr leid, daß es dich so verletzt hat, aber mußt du mich deshalb angreifen? Ich bin hier stehen geblieben, damit ich da bin, wenn du mich brauchst. Wenn du mich brauchst, Heaven! Schlag mich nicht! Ich habe dich immer nur bewundert, respektiert und geliebt. Ich konnte es nie glauben, daß dein Vater seine Kinder verkauft hat. Aber jetzt tue ich es. Verzeih mir, daß ich es dir erst heute wirklich glaube.«
Ich stieß ihn von mir. »Willst du damit sagen, daß du die ganze Zeit nie mit Fanny über mich geredet hast?«
»Ich habe sehr oft versucht, mit Fanny über dich zu reden… Aber du kennst ja Fanny. Sie dreht und wendet alles so lange, bis sie selber daran glaubt, daß ich es von ihr und nicht von dir hören will. Fanny interessiert sich nur für sich.« Blut schoß ihm ins Gesicht, und er starrte auf seine Füße. »Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß es besser ist, Fanny allein zu lassen.«
»Sie ist immer noch hinter dir her, nicht wahr?« fragte ich ihn verbittert. Ich konnte mir vorstellen, daß Fanny sich auf ihre aggressive Art an ihn herangemacht hatte… Und ich fragte mich, ob er, wie alle anderen auch, bei ihr schwach geworden war.
»Ja«, sagte er und hob die Augen. »Man muß schon großen Widerstand leisten, um sich Fanny vom Leib zu halten… Die beste Methode ist, überhaupt nicht in ihre Nähe zu kommen.«
»Nicht in die Nähe der Versuchung.«
»Bitte, hör auf! Ich tue mein Bestes, um Mädchen wie Fanny aus meinem Leben herauszuhalten. Seit dem Tag, an dem du fortgegangen bist, warte ich auf ein Mädchen namens Heaven, das mich wirklich lieben wird. Jemand, der gut und unschuldig ist; jemand, der lieben und geben kann. Jemanden, den ich respektiere. Wie kann ich ein Mädchen wie Fanny respektieren?«
Mein Gott, hilf mir – wie würde er jemanden wie mich respektieren können? Jetzt?
Wir ließen das Haus des Reverend Wise hinter uns, ohne uns noch einmal umzuschauen. Offensichtlich hatte sich Fanny mit ihrem neuen
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