Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
eigenes Spiegelbild, bevor sie sich wieder an mich wandte. »Ein lieber, alter Mann, Ihr Großvater. Hab’ direkt ‘ne Schwäche für ihn entwickelt. Hab’ ihn zu mir genommen, weil kein Mensch ihn sonst haben wollt’. Hab’ ihm auch ‘n schönes Zimmer gegeben, und er bekommt das beste Essen, das er je gehabt hat. Da gehe ich jede Wette ein, eins zu zehn, besser zwanzig zu zehn. Ich wett’ nu’ mal gern. Muß ich ja auch. Sonst kannst du in diesem Geschäft nicht überleben. Die Leute sind ja so gerissen. Die Jungen schieben ihre Alten bei mir ab, versprechen zu zahlen, tun’s aber nicht. Verschwinden einfach auf Nimmerwiedersehen. Dann sitzt da nu’ so ‘n alter Opa oder ‘ne alte Oma und warten den Rest ihres Lebens, daß Besuch für sie kommt. Aber der kommt natürlich nie, und Briefe bekommen sie auch keine. Es ist eine Schande, eine himmelschreiende Schande, was die Kinder ihren Eltern antun, wenn aus den Alten nichts mehr zu holen ist.«
    »Ich habe gehört, daß Vater regelmäßig Geld schickt.«
    »Tut er, tut er auch! Feiner Mann, Ihr Vater, sieht gut aus und ist auch gut. Mein Gott, erinnere mich an ihn, als er noch ein junger Mann war. Alle Mädchen waren hinter ihm her. Kann ich ihnen gar nicht zum Vorwurf machen. Ist aber ein ganz anderer Mann geworden, als man erwartet hat – kann man wirklich sagen.«
    Was meinte sie damit? Vater war schlecht, durch und durch schlecht, das wußte ganz Winnerrow.
    Grinsend entblößte sie ihre kreideweißen, falschen Zähne. »Hübsch hier, was? Sie sind doch Heaven Casteel, oder? Hab’ Ihre Mutter ein-, zweimal gesehen, ‘ne echte Schönheit, eigentlich zu gut für diese verkommene Welt. Der liebe Gott hat wohl schon gewußt, was er tut. Sehen ja genauso aus wie sie, so empfindsam, als könnten Sie nicht viel vertragen.« Ihre kleinen Augen ruhten freundlich auf mir, dann runzelte sie wieder besorgt ihre Stirn. »Müssen von hier fort, Schätzchen. Sind nicht für so Leute wie wir gedacht.«
    Sie hätte noch den ganzen Tag so weiter getratscht, wenn ich nicht wieder nach meinem Großvater gefragt hätte. »Ich habe leider nicht so viel Zeit. Ich würde gern meinen Großvater sehen.«
    Die Frau führte mich durch den düsteren Hausgang. Beim Vorbeigehen an den Zimmern warf ich einen flüchtigen Blick hinein und sah, mit perlschnurförmigen Fransen verziert, vergilbte Porträts, die an schweren, geflochtenen Seidenschnüren hingen. Dann führte sie mich die Treppen hoch. Von innen wirkte das Haus uralt. Nur die Fassade war neu angestrichen und hergerichtet, um seinen Glanz zu demonstrieren, aber innen war alles alt, und überall herrschte ein Geruch von Desinfektionsmittel.
    Lysol…
    Bade jetzt, Hillbilly-Miststück.
    Nimm viel Lysol, dumme Gans.
    Mußt den Dreck der Casteels loswerden.
    Ich schauderte.
    Im zweiten Stock gingen wir durch ein Zimmer, das direkt aus einem Versandhauskatalog der dreißiger Jahre zu stammen schien.
    »Sie können fünf Minuten mit ihm reden«, sagte mir die Frau nun in einem geschäftsmäßigen Ton. »Ich muß täglich drei Mahlzeiten für sechzehn Personen vorbereiten, und Ihr Großvater muß mithelfen.«
    Dabei hatte Großvater nie im Haus geholfen!
    Wie sich eine Persönlichkeit doch ändern konnte. Wir mußten noch drei gewundene Treppenfluchten hinaufsteigen. Die Hinterbacken der Frau unter dem dünnen Baumwollkleid prallten aufeinander wie zwei wild kämpfende Tiere – ich mußte wegsehen. Wie hatte Großvater es geschafft, auch nur einmal die vielen Treppen zu steigen? Je höher wir kamen, um so älter schien das Haus zu werden. Hier oben kümmerte es niemanden, ob die Farbe abbröckelte oder ob Schaben über den Boden flitzten. In den schummerigen Ecken hatten Spinnen ihr Netze gesponnen. Welchen Schrecken dies alles Kitty einjagen würde!…
    Im obersten Stockwerk gingen wir durch einen schmalen Gang an geschlossenen Türen vorbei, bis wir die letzte Tür am Ende des Ganges erreicht hatten. Als diese geöffnet wurde, kam ein erbärmlich kleines, schäbiges Zimmer mit einem durchgelegenen Bett und einem kleinen Schrank zum Vorschein – und da saß Großvater in seinem knarzenden Schaukelstuhl. Er war so gealtert, daß ich ihn kaum erkannte. Es brach mir fast das Herz, als ich den zweiten Schaukelstuhl erblickte – beide Stühle hatte man aus unserer traurigen Hütte in den Willies hergebracht. Großvater sprach zum zweiten Schaukelstuhl, als säße Großmutter darin. »Du machst dir zuviel Arbeit mit dem

Weitere Kostenlose Bücher