Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
Thunfischbrot, das ich ihm versprochen hätte. »Hat Miß Deale uns zwei geschickt?« fragte er, und sein kleines Gesicht strahlte erwartungsvoll. »Ist heut Montag? Hat sie uns Milch mitgebracht?«
Ich versuchte Logan anzulächeln, der das Ganze beobachtete und Unsere-Jane und Keith nachdenklich ansah. Schließlich wandte er sich lächelnd zu mir. »Wenn du lieber ein Thunfischbrot magst, dann müssen wir uns beeilen, vielleicht hat die Cafeteria noch welche.«
Jetzt konnte ich nichts mehr dagegen unternehmen, da Unsere-Jane und Keith wie Füchse, die die Spur einer Henne gewittert haben, zur Cafeteria eilten. »Heaven«, sagte Logan ernst, »ich habe noch nie einem Mädchen erlaubt, ihr Mittagessen zu bezahlen, wenn ich sie eingeladen habe. Bitte, sei mein Gast.«
Kaum hatten wir die Cafeteria betreten, hörte ich schon das Geflüster und Gewisper – was wollte Logan von der schäbigen Casteel? Tom saß schon da, als habe Logan ihn eingeladen, und ich fühlte mich gleich besser. Ich brachte ein Lächeln zustande und half Unserer-Jane, sich an den langen Tisch zu setzen. Keith drängte sich ganz eng an sie und blickte schüchtern um sich. »Wollen alle immer noch ein Thunfischbrot und ein Glas Milch?« fragte Logan und bat Tom, ihm zu helfen, das Essen an den Tisch zu bringen. Unsere-Jane und Keith blieben bei ihrer Wahl, und ich stimmte zu, einen Hamburger und eine Cola zu probieren. Während Tom und Logan weg waren, schaute ich mich nach Fanny um. Sie war nicht in der Cafeteria. Das machte mir Sorgen. Fanny hatte ihre eigenen Methoden, zu einem Mittagessen zu kommen.
Um uns herum flüsterten alle gehässig, es schien ihnen gleichgültig zu sein, ob ich es hörte oder nicht. »Was will er denn von der? Sie ist doch bloß ein Hillbilly. Seine Familie scheint wohlhabend zu sein.«
Logan Stonewall zog viele Blicke auf sich, als er und Tom glücklich lächelnd mit Thunfischbroten, Hamburgers, Pommes frites, Shakes und Milch zurückkamen. Unsere-Jane und Keith waren von so viel Speisen geradezu überwältigt. Sie wollten meine Cola, meinen Hamburger und die Pommes frites probieren, schließlich blieb mir nur die Milch, und Unsere-Jane trank die Cola, indem sie ihre Augen vor lauter Wonne fest geschlossen hielt. »Ich hole dir noch eine«, bot ihr Logan an, aber ich ließ es nicht zu. Er hatte schon mehr als genug für uns getan.
Ich erfuhr, daß er fünfzehn Jahre alt war. Er freute sich zu hören, wie alt ich war. Er wollte sogar meinen Geburtstag wissen, als würde das irgend etwas bedeuten, aber ihm schien es wichtig zu sein; seine Mutter glaubte nämlich an Astrologie. Er erzählte mir, wie er es angestellt hatte, die Erlaubnis zu bekommen, im Aufgabenzimmer zu arbeiten, wo ich immer meine Hausaufgaben machte. Ich bemühte mich, die Aufgaben in der Schule zu machen, damit ich keine Schulbücher, sondern Romane mit nach Hause nehmen konnte.
Zum erstenmal in meinem Leben hatte ich einen Freund, der nicht davon ausging, daß ich leicht zu haben sei, nur weil ich aus den Bergen war. Logan rümpfte weder über meine Kleidung noch über meine Herkunft die Nase. Trotzdem hatte Logan vom ersten Tag an Feinde, einfach weil er anders war. Seine selbstsichere Haltung irritierte alle, seine Familie war zu reich, sein Vater zu gebildet und seine Mutter zu hochmütig. Die anderen Jungen nahmen daher an, daß er ein Feigling sei. Schon an jenem ersten Tag sagte ihm Tom, daß er sich eines Tages in den Augen der anderen bewähren müßte. Die Jungens spielten ihre dummen, wenn auch nicht ganz harmlosen Streiche mit ihm. Sie taten Reißnägel in seine Turnschuhe; sie banden seine Schuhe zusammen, damit er nach der Turnstunde zu spät in den nächsten Unterricht kam; sie träufelten Klebstoff in seine Schuhe und rannten davon, wenn er wütend wurde und drohte, die Schuldigen zu verprügeln.
Nach zwei Wochen wurde Logan zwei Klassen höher als ich und Tom versetzt. Zu der Zeit trug auch er schon Jeans und karierte Hemden, allerdings waren es teure Jeans und Hemden. Trotz seiner angepaßten Kleidung fiel er immer noch auf. Er blieb höflich und zuvorkommend, während die anderen laut und grob waren. Er weigerte sich, sich so zu benehmen wie die anderen Burschen und ihre schmutzige Sprache zu sprechen.
Am Freitag ging ich zum großen Erstaunen Toms nicht in das Aufgabenzimmer. Während wir in der strahlenden Septembersonne nach Hause schlenderten, hörte er nicht auf, mich nach dem Grund zu fragen. Es war ziemlich heiß, und
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