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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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mein Schmerz auch seiner. »Eines Tages wird Vater entdecken, daß er dich gar nicht haßt. Ich bin sicher, daß dieser Tag bald kommen wird.«
    Ich riß mich los.
    »Nein, diesen Tag wird es nie geben! Das weißt du genausogut wie ich. Vater meint, daß ich seinen Engel getötet habe, als ich auf die Welt gekommen bin. Das wird er mir nicht in tausend Jahren verzeihen! Und wenn du meine Meinung hören willst, ich glaube, daß Mutter verdammtes Glück gehabt hat, ihm zu entkommen! Früher oder später wäre er genauso gemein zu ihr gewesen, wie er jetzt zu Sarah ist!«
    Wir waren beide erschüttert von diesen offenen Worten. Er zog mich wieder an sich und lächelte zaghaft, aber er sah traurig dabei aus. »Vater liebt Mutter nicht. Er ist unglücklich mit ihr. Alle sagen, er hat deine Mutter geliebt. Er hat meine bloß geheiratet, weil sie schwanger war und er einmal in seinem Leben das Richtige tun wollte.«
    »Aber nur, weil ihn Großmutter dazu gezwungen hat«, sagte ich bitter.
    »Niemand kann Vater zu etwas zwingen, wenn er es nicht tun will, vergiß das nicht!«
    »Vergess’ ich schon nicht«, sagte ich und dachte daran, wie Vater sich immer weigerte, mich anzusehen.
    Wieder war es Montag, und wir saßen alle in der Schule. Miß Deale versuchte uns nahezubringen, daß das Lesen von Shakespeares Dramen und Sonetten ein Vergnügen sei; ich konnte es aber nicht erwarten, ins Aufgabenzimmer zu kommen.
    »Heaven, hörst du zu oder träumst du?« fragte mich Miß Deale, und ihre wasserblauen Augen waren auf mich gerichtet.
    »Ich höre zu!«
    »Und welches Gedicht habe ich gerade besprochen?«
    Ich konnte mich um nichts in der Welt auch nur an ein einziges Wort, das Miß Deale in der letzten halben Stunde gesagt hatte, erinnern. Das war sonst nicht meine Art; ich hätte wirklich aufhören sollen, dauernd an diesen Logan zu denken. Wenn er im Aufgabenzimmer immer an meiner rechten Seite saß, überkamen mich jedesmal, wenn sich unsere Augen trafen, die eigenartigsten Gefühle. Ich mußte mich zusammenreißen, um nicht in seine Richtung zu schauen, denn jedesmal, wenn ich es tat, starrte er mich gerade an.
    Logan lächelte, bevor er mir zuflüsterte: »Wer war so genial gewesen und hat dir den Namen Heaven gegeben? Ich habe noch nie jemanden mit diesem Namen kennengelernt.«
    Ich mußte zweimal schlucken, bevor ich ihm antworten konnte. »Die erste Frau meines Vaters gab mir den Namen gleich nach meiner Geburt, und ich heiße auch noch Leigh, weil das ihr Vorname war. Großmutter hat mir erzählt, daß sie mir einen erhebenden Namen geben wollte, und Heaven ist so ziemlich der erhebendste, den es gibt.«
    »Es ist der schönste Name, den ich je gehört habe. Wo ist deine Mutter jetzt?«
    »Sie liegt auf dem Friedhof begraben«, sagte ich unverblümt und vergaß, charmant und kokett zu sein, etwas was Fanny niemals passiert wäre. »Sie ist gleich nach meiner Geburt gestorben. Und mein Vater kann mir nicht verzeihen, daß ich ihr das Leben genommen habe.«
    »Absolute Ruhe, bitte!« schrie Mr. Prakins. »Der nächste, der spricht, muß fünfzehn Stunden nachsitzen.«
    Logans Augen sahen mich voller Mitgefühl an. Kaum hatte Mr. Prakins das Zimmer verlassen, flüsterte Logan mir wieder etwas zu: »Es tut mir leid, daß es passiert ist, aber du hast es nicht richtig erzählt. Deine Mutter liegt nicht tot auf dem Friedhof – sie ist in das große Jenseits gegangen, an einen besseren Ort, sie ist im Himmel.«
    »Sollte es einen Himmel oder eine Hölle geben, ich glaube, beides ist hier unten auf unserer Erde anzutreffen.«
    »Wie alt bist du eigentlich, hundertzwanzig?«
    »Du weißt doch, daß ich dreizehn Jahre alt bin!« fuhr ich ihn wütend an. »Aber heute komme ich mir wie zweihundertfünfzig vor.«
    »Warum?«
    »Weil es besser ist, als dreizehn Jahre alt zu sein, deshalb!«
    Logan räusperte sich, warf einen verstohlenen Blick nach Mr. Prakins, der uns durch die Glaswand im Auge behielt, und riskierte es dann, mir noch etwas zuzuflüstern: »Dürfte ich dich heute nach Hause begleiten? Ich habe noch nie mit jemandem geredet, der schon zweihundertfünfzig Jahre alt ist. Du machst mich neugierig. Ich würde allzu gerne hören, was du zu erzählen hast.«
    Ich nickte nur. Mir war etwas übel, und zugleich fühlte ich mich ausgelassen. Ich hatte mich selber in diese Situation gebracht, in der ich ihn mit meinen langweiligen Antworten enttäuschen konnte. Was wußte ich denn schon von Alter, Weisheit und sonstigen

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