Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
unsere Blicke, und ich mußte mich zwingen, meine Augen wieder von ihm abzuwenden. Er liebte mich. Das spürte ich. Warum war ich nicht stärker gewesen und hatte der Versuchung widerstanden? Schluchzend stolperte ich. Schnell hielt mich Logan fest, bis ich wieder mein Gleichgewicht gefunden hatte. Ich landete in seinen Armen. »Ich liebe dich, Heaven«, flüsterte er heiser. Ich spürte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht, bevor er mich küßte. »Gestern Nacht habe ich kein Auge zugemacht, weil ich immer dran denken mußte, wie wundervoll du bist, wie aufrecht und treu du zu deiner Familie hältst. Du bist die Frau, der ein Mann vertraut; eine Frau, die er allein lassen kann und weiß, daß sie ihm treu bleibt.«
Ich war vor lauter Verzweiflung wie betäubt. Ich wollte nicht zulassen, daß zuviel Sonnenschein mein Herz erwärmte, während er immer weiterredete; er erzählte von seinen Eltern, seinen Tanten, Onkeln und Cousins, bis wir das Flußufer, an dem wir vor langer Zeit gegessen waren, erreicht hatten. Hier war die Zeit stehengeblieben. Logan und ich hätten in jenem Augenblick die Jugendlichen von damals gewesen sein können, die sich zum ersten Mal verliebten. Wieder saßen wir, vielleicht sogar auf demselben Platz, so nahe beieinander, daß sich unsere Schultern berührten und sein Schenkel sich gegen meinen drückte. Ich starrte auf das Wasser, das über die Steine plätscherte. Nach einer Weile erst begann ich mit jener Geschichte, die zu erzählen das Schwerste in meinem ganzen Leben war. Wenn er alles wußte, würde er mich verachten.
»Meine Großmutter hat mir oft erzählt, daß meine Mutter immer an diese Quelle gegangen ist«, sagte ich und zeigte auf eine Stelle, wo das Wasser aus einem Felsspalt hervorsprudelte, »sie kam mit unserem alten Holzeimer hierher, um Quellwasser zu holen. Sie hielt das Brunnenwasser für nicht besonders schmackhaft, auch nicht zum Suppekochen geeignet oder für die Farben, die Großmutter herstellte, um Wollreste zu färben, aus denen meine Mutter dann einen Teppich knüpfte, der unter meine Wiege kommen sollte, um den Luftzug abzuhalten. Sie richtete die Hütte, so gut es ging, für meine Geburt her…«
Er legte sich neben mich ins Gras und spielte gedankenverloren mit meinen langen Locken. Es war sehr romantisch, mit Logan hier zu sitzen, als wären wir noch unschuldig und als hätte niemand vor uns geliebt. Er spielte mit meinen Händen, zuerst mit einer, dann mit der anderen, er küßte meine Fingerspitzen und Handflächen, bevor er meine Finger umbog, daß sie die Küsse wie Geschenke umschlossen hielten.
»Für all die Tage, an denen ich mich so sehr nach dir gesehnt habe und du fort warst.« Er zog mich zu sich herunter, daß mein Oberkörper auf seiner Brust lag. Meine Haare fielen wie ein dunkler Vorhang herab, der unsere Gesichter einhüllte. Wir küßten uns. Dann lag ich mit meiner Wange auf seiner Brust, und seine Arme hielten mich umschlungen. Wenn ich nur so gewesen wäre, wie er es von mir annahm, dann hätte ich dies alles genießen können. Ich kam mir wie eine Sterbenskranke vor, die ihre letzte Mahlzeit einnahm. Die Sonne in ihrer ganzen Pracht konnte die Wolken, die mein Gewissen überschatteten, nicht vertreiben.
Mit geschlossenen Augen wünschte ich mir, daß er für immer so weiterreden würde und mir nicht die Gelegenheit gab, seine – und meine – Träume zu zerstören.
»Wenn ich das College abgeschlossen habe, werden wir heiraten, zur Rosenblütenzeit. Bevor noch der Schnee fällt, Heaven.«
Ich schüttelte den Kopf, aber was er sich in seiner Phantasie aus malte, riß mich beinahe fort. Meine Augen hielt ich geschlossen, mein Atem ging im gleichen Takt wie seiner. Er streichelte meinen Rücken, meine Arme – und dann, sehr zart, meine Brüste. Mit einem Aufschrei riß ich mich von ihm los und setzte mich kerzengerade auf. »Laß uns gehen. Du mußt es sehen, wenn du verstehen willst, wer und was ich bin«, sagte ich mit zitternder Stimme.
»Ich weiß doch, wer und was du bist. Heaven, warum hast du so verschreckte Augen? Ich werde dir nicht weh tun. Ich liebe dich.«
Er würde es aber nicht mehr, wenn er erführe, wer ich eigentlich wirklich war. Nur Cal wußte, was ich durchgemacht hatte, und er verstand mich. Ich war eine Casteel, von Geburt an verdorben. Cal war dies gleichgültig, aber den unbescholtenen Stonewalls würde es gewiß etwas ausmachen.
Der Glanz in Logans Augen verdüsterte sich. Er schien zu ahnen, daß ich
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