Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
verliert, was für sie den Inbegriff ihrer Weiblichkeit darstellt.«
»Wie kann ich helfen?« flüsterte ich.
»Bleib bei mir. Verlaß mich nicht. Ich bin schwach, Heaven. Das habe ich dir schon früher gesagt. Als ich dich zusammen mit Logan sah, kam ich mir auf einmal alt vor. Ich hätte es wissen müssen, daß die Jugend ihresgleichen sucht. Ich bin ein alter Narr, der sich selbst eine Falle gestellt hat.«
Er wollte näher an mich heranrücken. Ich sprang in panischer Angst auf. Er liebte mich nicht so, wie es Logan tat. Er brauchte mich nur als Ersatz für Kitty.
»Heaven!« rief er. »Wendest du dich auch von mir ab? Bitte, ich brauche dich!«
»Du liebst mich nicht!« rief ich erregt. »Du liebst sie! Und du hast es immer getan! Sogar als sie grausam zu mir war, hast du sie immer entschuldigt!«
Ermattet drehte er sich um, mit hängenden Schultern ging er auf die Tür des Setterton-Hauses zu. »In manchen Dingen hast du recht. Ich will, daß Kitty am Leben bleibt, und gleichzeitig wünsche ich mir, daß sie stirbt, um der Last zu entrinnen. Ich will dich, aber ich weiß, es ist nicht richtig. Ich hätte mich niemals überreden lassen dürfen, daß sie dich zu uns holt!«
Peng!
Mir wurden immer Türen vor der Nase zugeschlagen.
21. KAPITEL
E NDGÜLTIGER A BSCHIED
Eine Woche verging. Täglich besuchte ich Kitty im Krankenhaus. Logan hatte ich seit dem Tag, an dem er von mir fortgelaufen war, nicht mehr gesehen, und ich wußte, daß er jetzt innerhalb einer Woche ins College zurück mußte. Viele Male spazierte ich wie zufällig an der Stonewall-Apotheke vorbei, in der Hoffnung, ihn zu sehen, obwohl ich mir immer wieder sagte, daß er ohne mich besser dran sei. Und ich sei besser dran ohne jemanden, der mir nie verzeihen könnte, daß ich nicht vollkommen war. Zu unvollkommen – dies waren wohl Logans Gedanken –, zu sehr wie Fanny. Auch wenn Cal bemerkt hatte, daß ich sehr bedrückt war, weil ich Logan nicht mehr sah, so verlor er doch kein Wort darüber.
Durch die vielen Stunden, die ich an Kittys Krankenbett verbrachte, kamen mir die Tage sehr lang vor. Cal saß auf einer Seite des Bettes, ich auf der anderen. Die meiste Zeit über hielt er ihre Hand. Ich hatte meine Hände in den Schoß gelegt. Während ich so neben ihr saß und ihr Leiden fast wie einen eigenen Schmerz empfand, grübelte ich über die Verwicklungen des Lebens nach. Es gab eine Zeit, da hätte mich der Anblick Kittys als hilflose Kranke, die nicht mehr in der Lage war, mich zu schlagen und mir kränkende Worte zu sagen, die mein Selbstbewußtsein verletzten, erleichtert. Aber jetzt empfand ich nur mehr Mitleid mit ihr und war bereit, fast alles zu tun, um ihre Schmerzen zu lindern, auch wenn ich nur wenig unternehmen konnte, um es ihr ein wenig bequem zu machen. Aber trotzdem bemühte ich mich; ich wollte sühnen und meine Schuld tilgen. Dabei vergaß ich, was Kitty mir alles angetan und warum ich sie zu hassen begonnen hatte.
Die Krankenschwestern verabreichten ihr die Medikamente, aber ich wusch sie. Sie machte mir Zeichen, daß sie meine Pflege für alle jene Extra-Handgriffe vorzog, für die die Krankenschwestern keine Zeit hatten, wie zum Beispiel ihr eine milde Creme am ganzen Körper aufzutragen oder ihre Haare zu bürsten und nach ihrem Wunsch zu frisieren. Oft, während ich die Haare toupierte und mit einem Holzstiel glättete, dachte ich mir, daß ich sie sicher geliebt hätte, wenn sie mir nur die geringste Chance gegeben hätte. Ich schminkte sie zweimal am Tag, betupfte sie mit ihrem Lieblings-Parfüm, malte ihre Fingernägel an. Indessen beobachtete sie mich unentwegt aus ihren sonderbaren, blassen Augen. »Wenn ich tot bin, mußt du Cal heiraten«, flüsterte sie mir dabei einmal zu.
Ich sah sie entsetzt an und wollte sie fragen, wie sie darauf käme, aber sie hatte die Augen wieder geschlossen. Wenn sie das tat, dann sagte sie nichts mehr, auch wenn sie wach war. ›Lieber Gott, laß sie bitte wieder gesund werden!‹ war mein ständiges Gebet. Ich liebte Cal und brauchte ihn als Vater. Aber ich konnte ihn nicht auf die Art und Weise lieben, wie er es sich wünschte.
Es gab auch Zeiten, in denen ich, während ich sie herrichtete, ununterbrochen auf sie einredete, obwohl es gleichzeitig eine Art Selbstgespräch war. Ich berichtete ihr von ihrer Familie und wie sie sich Sorgen um ihre Gesundheit machten (auch wenn das nicht stimmte); ich wollte ihre Stimmung heben, ihr Mut und Hoffnung
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