Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
bürstete mir gerade die Haare und dachte dabei an Logans Eltern, während Fanny draußen im Hof Snapper, Vaters Lieblingshund, quälte. Sarah setzte sich schwerfällig neben mich und strich sich lange Strähnen ihres roten Haares aus dem Gesicht. »Bin so müde. Die ganze Zeit schon so verdammt müd’«, sagte sie schließlich seufzend. »Und nie ist dein Vater zu Haus. Und wenn, dann sieht er gar nicht, in welchen Umständen ich bin.«
Ihre Worte durchfuhren mich wie ein Blitz. Was hatte Vater nicht bemerkt? Schnell wandte ich mich um und starrte sie an. Dabei wurde mir klar, daß auch ich sie nur selten wirklich betrachtete, sonst hätte ich es schon längst herausgefunden, daß sie schwanger war… schon wieder.
»Mutter!« rief ich. »Hast du es Vater nicht erzählt?«
»Wenn er mich mal richtig anschauen würd’, hätt’ er’s ja wohl schon längst bemerkt, oder?« Helle Tränen des Selbstmitleids bildeten sich in ihren Augen. »Ein weiteres Maul zu stopfen ist ja wohl das letzte, was wir brauchen. Wird aber nu’ noch eins kommen, im Herbst.«
»Welcher Monat, welcher Tag?« rief ich, verzweifelt bei dem Gedanken an ein neues Baby, um das man sich wieder sorgen mußte, ausgerechnet jetzt, wo Unsere-Jane endlich zur Schule ging und nicht mehr ganz so viel Mühe kostete wie früher. Bei Gott, es war wirklich sehr aufreibend gewesen, zumal zwischen ihr und Keith nur ein Jahr Unterschied war.
»Hab’ die Tage nicht gezählt für’n Doktor. Geh’ auch zu keinem«, flüsterte Sarah heiser, als hätte das kommende Kind ihrer Stimme schon alle Kraft genommen.
»Mutter, du mußt es mir sagen, wann es kommt, damit ich hier bin, wenn du mich brauchst.«
»Hoffentlich hat’s schwarzes Haar«, murmelte sie geistesabwesend. »Ein dunkeläugiger Junge, wie ihn sich dein Vater wünscht –, ein Junge, der ihm ähnlich sieht. O Gott, bitte erhör mich diesmal und schenk Luke und mir ‘nen Sohn, der sein Ebenbild ist. Dann kann er mich lieben, so wie er sie geliebt hat.«
Ihre Worte taten mir weh. Was hatte es für einen Sinn, wenn ein Mann so lange trauert – falls er wirklich trauerte –, und wann hatte er das Baby gemacht? Meistens wußte ich, was sie trieben; es war aber schon eine Ewigkeit her, daß die Federn in dem verräterischen Rhythmus gequietscht hatten.
Auf dem Weg zum See, wo wir mit Logan zum Fischen verabredet waren, erzählte ich niedergeschlagen Tom die Nachricht.
Kaum hatten wir Logan getroffen, da tauchte plötzlich Fanny zwischen den Bäumen auf. Sie schmiß sich an Logan, als wäre sie ein sechsjähriges Kind und kein zwölfjähriges Mädchen, das sich außerdem schon sehr schnell zu entwickeln begann. Logan mußte sie in die Arme nehmen, um nicht nach hinten zu kippen.
»Du siehst ja von Tag zu Tag besser aus«, flötete Fanny und versuchte, ihm dabei einen Kuß zu geben, aber Logan stellte sie wieder auf den Boden und schob sie beiseite. Dann kam er auf mich zu. Aber Fanny war an diesem Tag einfach überall; ihre laute Stimme ertönte aus allen Winkeln, sie verscheuchte die Fische und lenkte beständig die Aufmerksamkeit auf sich. Sie verdarb uns den ganzen Sonntagnachmittag, der uns sonst viel Spaß gemacht hätte, bis sie endlich, als es dämmerte, verschwand – keiner wußte wohin –, und Logan, Tom und mich mit drei winzigen Fischen zurückließ, bei denen es sich nicht lohnte, sie mit nach Hause zu nehmen. Logan warf sie wieder zurück ins Wasser, und wir sahen ihnen nach, wie sie davonschwammen.
»Bis nachher«, rief Tom, und schon eilte er davon und ließ mich mit Logan allein zurück.
»Was ist denn los?« fragte Logan, während ich unverwandt die untergehende Sonne anstarrte, die sich im Wasser in vielfältigen Rosa-Tönen widerspiegelte. Bald, dachte ich, würde sich alles dunkelrot verfärben, so rot wie das Blut, das Sarah bei der Geburt ihres neuen Babys verlieren würde. Die Erinnerung an vergangene Geburten gingen mir durch den Kopf. »Heaven, du hörst mir ja gar nicht zu.«
Ich wußte nicht recht, ob ich ihm etwas so Persönliches erzählen sollte, aber schließlich sprudelte es wie von selbst aus mir heraus. Ich konnte keine Geheimnisse vor ihm haben. »Ich habe Angst, Logan, nicht nur um Sarah und ihr Kind, sondern um uns alle. Wenn ich manchmal sehe, wie verzweifelt Sarah ist, dann weiß ich nicht, wie lange sie dieses Leben noch aushalten kann. Wenn sie geht – sie spricht immer davon, daß sie Vater verlassen will –, dann läßt sie mir das Baby
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