Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
dies, ich soll nicht das, dann lass’ ich sie alles machen – und es ist mir scheißegal, wenn du’s Vater erzählst. Er liebt mich, und dich haßt er nur!«
Das saß. Wäre Fanny nicht auf mich zugerannt gekommen und hätte sie nicht ihre zarten Arme um meinen Hals geschlungen und mich dabei weinend um Verzeihung gebeten, so hätte ich dieser boshaften, gefühllosen Schwester wohl endgültig meinen Rücken gekehrt. »Tut mir leid, Heaven, ehrlich. Mag dich, ehrlich, mag dich wirklich. Ich mag’s aber nun mal auch, wie sie’s tun. Ist doch normal, Heaven, oder?«
»Deine Schwester wird ‘ne Hure«, bemerkte Sarah später mit tonloser Stimme, in der keine Hoffnung mehr lag, während sie unsere Schlafdecken für den Boden aus den Kisten hervorholte. »Da kann man wohl nichts machen. Paß lieber auf dich selber auf, Heaven.«
4. KAPITEL
S ARAH
Weihnachten kam und ging ohne richtige Geschenke, die daraus einen besonderen Festtag gemacht hätten. Wir bekamen lediglich kleine Notwendigkeiten wie Zahnbürsten und Seife. Hätte mir Logan nicht das Armband mit dem kleinen Saphir geschenkt, wäre mir dieses Weihnachtsfest nicht in Erinnerung geblieben. Ich hatte jedoch nichts für ihn außer einer selbstgestrickten Mütze.
»Es ist eine phantastische Mütze«, sagte er und zog sie sich über den Kopf. »Ich habe mir schon immer eine knallrote, handgestrickte Mütze gewünscht. Vielen Dank, Heaven Leigh. Es wäre toll, wenn du mir zu meinem Geburtstag im März noch einen roten Schal stricken könntest.«
Ich war erstaunt, daß er die Mütze wirklich trug. Sie war viel zu groß, und er schien es überhaupt nicht zu bemerken, daß ich einige Maschen fallen gelassen hatte und daß die Wolle schon abgegriffen und nicht mehr ganz sauber war. Kaum war Weihnachten vorbei, fing ich mit dem Schal an, der zum Valentinstag fertig wurde. »Im März ist es schon zu spät für einen Schal«, sagte ich lächelnd, als er ihn sich um den Hals wand – und er trug immer noch jeden Tag die rote Mütze.
Ende Februar wurde ich vierzehn Jahre alt. Ich bekam wieder ein Geschenk von Logan, ein wunderschönes weißes Pulloverset, das Fannys dunkle Augen neidisch funkeln ließ. Am Tag nach meinem Geburtstag traf mich Logan nach der Schule am Ende des Bergpfades; von da an begleitete er mich jeden Tag bis zu der Waldlichtung vor der Hütte. Keith und Unsere-Jane faßten Zuneigung und Vertrauen zu ihm, während Fanny ihn die ganze Zeit mit ihren Reizen zu verlocken suchte, aber Logan schenkte ihr weiterhin keine Beachtung. Es war wunderbar, mit vierzehn Jahren verliebt zu sein, es machte mich so glücklich, daß ich am liebsten zugleich gelacht und geweint hätte.
Jetzt, da die Luft voller Liebe war, gingen die herrlichen Frühlingstage viel zu schnell vorüber. Ich wollte viel Zeit für die Liebe haben, aber Großmutter und Sarah nahmen mir unerbittlich die Zeit weg. Es mußte nicht nur gepflanzt werden, sondern auch andere Arbeiten warteten auf mich, die zu meinen Pflichten und nicht zu Fannys gehörten. Aber ohne unseren großen Gemüsegarten hinter der Hütte hätten wir uns nicht ausreichend ernähren können. Wir hatten Kohl, Kartoffeln, Gurken, Karotten, Wirsing im Herbst, Rüben und das beste von allem: Tomaten.
Sonntags freute ich mich darauf, Logan in der Kirche zu sehen. Wenn wir zusammen in der Kirche waren und er mir gegenüber in der Bank saß, so daß sich unsere Augen trafen und er mir viele stumme Botschaften sandte, dann vergaß ich einfach die verzweifelte Not, in der wir lebten. Logan schenkte uns mancherlei aus der Apotheke seines Vaters; es waren Kleinigkeiten, für ihn nichts besonderes, die uns aber entzückten, wie zum Beispiel eine Flasche Shampoo, Parfüm in der Sprühdose, Rasierer und Rasierklingen für Tom, dem auf seiner Oberlippe schon mehr als nur ein rotbrauner Flaum wuchs.
Wir hatten an einem Sonntagnachmittag ausgemacht, gemeinsam fischen zu gehen, obwohl Logan seinen Eltern nicht verraten hatte, wer seine Freunde waren. Ich hatte es schon an ihren versteinerten Gesichtern gemerkt, wenn wir uns gelegentlich auf den Straßen von Winnerrow trafen, daß sie es nicht gern sahen, wenn ich, oder sonst jemand aus der Casteel-Familie, etwas mit ihrem Sohn zu tun hatte. Ihre Einstellung schien Logan aber viel weniger auszumachen als mir. Ich wollte, daß sie mich mochten, und Logan wollte mich ihnen auch vorstellen, aber irgendwie gelang es ihnen immer wieder, dem aus dem Weg zu gehen.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher