Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
Außerdem möchte ich nicht, daß Großvater nur dasitzt und schaukelt und dabei vergißt, etwas herumzugehen.«
»Ihm geht es gut. Er kann doch auf Unsere-Jane aufpassen.«
In dem Augenblick, als er es ausgesprochen hatte, war mir klar, daß er es nicht so meinte; er wurde rot, senkte den Kopf und sah so bedrückt aus, daß ich am liebsten wieder geweint hätte. »In ein paar Tagen werden wir uns daran gewöhnt haben, Tom. Es wird schon weitergehen, du wirst sehen.«
»Ich bleib’ zu Hause«, bot Fanny an. »Ich pass’ auf Unsere-Jane und Großvater auf.«
»Die beste Lösung«, stimmte ihr Tom glücklich zu. »Fanny wird die High School sowieso nie beenden. Sie ist alt genug, leichte Arbeit zu machen.«
»Gut«, stimmte ich probeweise zu. »Fanny, zuerst mußt du Unsere-Jane baden. Du mußt zusehen, daß sie den Tag über acht Gläser Wasser trinkt und zwischendurch immer etwas ißt. Dann muß Großvater immer wieder zum Klo geführt werden, und du solltest darauf achten, daß hier alles sauber und aufgeräumt ist.«
»Geh’ lieber doch zur Schule«, seufzte Fanny. »Bin nicht Großvaters Sklavin und nicht die Mutter von Unserer-Jane. Ich bin lieber bei den Jungs.«
Ich hätte es wissen müssen.
Tom ging widerstrebend zur Tür. »Was soll ich Miß Deale sagen?«
»Erzähl ihr nicht, daß Sarah uns verlassen hat«, stieß ich hervor. »Sag ihr nur, ich bin zu Hause geblieben, weil es so viel zu tun gibt; Großvater fühlt sich nicht wohl und Unsere-Jane ist krank. Das ist alles, hast du mich verstanden?«
»Aber sie könnte uns vielleicht helfen?«
»Wie?«
»Weiß ich nicht, aber ihr fällt bestimmt etwas ein.«
»Thomas Luke, wenn du deine Ziele, die du dir gesetzt hast, erreichen willst, dann kannst du nicht herumgehen und um Hilfe betteln. Du mußt alle Schwierigkeiten überwinden und deine eigenen Lösungen finden. Wir beide werden zusammen versuchen, die Familie gesund durchzubringen. Sag Miß Deale und Logan, was du willst, sie sollen nur nicht merken, daß Sarah uns verlassen hat. Sie kann jede Minute zurückkommen, wenn sie einsieht, was sie falsch gemacht hat. Wir wollen sie doch nicht beschämen, oder?«
»Nein«, sagte er und atmete erleichtert auf. »Sie kommt bestimmt wieder, wenn ihr klarwird, daß es falsch war, uns zu verlassen.«
Er nahm Keith an die rechte Hand, und Fanny nahm seine linke Hand, und so stapften sie los in die Schule. Ich blieb mit Unserer-Jane im Arm zurück auf der Veranda. Sie weinte, als sie Keith in die Schule gehen sah, und ich wünschte mir, ich hätte mit ihnen gehen können.
Das erste, was ich tat, nachdem ich Unsere-Jane gebadet und sie ins große Messingbett gelegt hatte, war Großvater sein Schnitzmesser und ein paar Holzstücke zu geben. »Schnitz doch etwas, das Großmutter gefallen hätte, zum Beispiel so ein Reh mit großen traurigen Augen. Großmutter mochte die besonders – weißt du noch?«
Er blinzelte mit den Augen, blickte zu ihrem leeren Schaukelstuhl hinüber, und zwei große Tränen liefen ihm über die faltigen Wangen. »Für Annie«, flüsterte er, als er sein Lieblingsmesser in die Hand nahm.
Tom war ganz niedergeschlagen, als er nach der Schule nach Hause kam und sah, daß Mutter immer noch nicht zurückgekehrt war. »Jetzt muß wohl ich der Mann im Haus sein«, sagte er, und der Gedanke, was ihm nun alles bevorstand, schien ihn zu erdrücken. »Wird kein Geld geben, wenn sich keiner drum kümmert. Arbeiten auf dem Hof ist schwer, wenn man nicht die richtige Ausrüstung hat. Die Lebensmittelläden verkaufen nichts auf Kredit, und was wir haben, wird nicht lange reichen. Wir könnten auch alle ein neues Paar Schuhe gebrauchen. Heavenly, du kannst nicht mit Schuhen in die Schule gehen, die vorne aufgeschnitten sind.«
»Ich kann überhaupt nicht mehr zur Schule gehen, weder mit Schuhen noch ohne«, antwortete ich ihm mit tonloser Stimme und wackelte mit meinen Zehen. Ich hatte die Schuhe vorn aufschneiden müssen, weil sie mittlerweile viel zu klein waren. »Du weißt, daß ich Großvater nicht alleine lassen kann, und Unsere-Jane ist noch nicht gesund genug, um wieder in die Schule zu gehen.«
Tom starrte mich mit schreckensweiten Augen an. Wir hatten uns nach einem Gericht aus Bratkartoffeln, Würstchen, Brot, Schmalz und Äpfel zum Nachtisch, für das Bett fertig gemacht. Alle Willenskraft war aus seinen Augen geschwunden.
»Was sollen wir bloß tun, Haevenly?«
»Mach dir keine Sorgen, Tom. Fanny, Keith und Unsere-Jane, ihr
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