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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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alles erstickende Eisdecke herab. Obwohl wir, eingehüllt in mehrere Schlafdecken, in der Nähe des Ofens schliefen, war der Boden so kalt, daß wir erbärmlich froren. Großvater schlief im großen Messingbett – wenn er es nicht vergaß, seinen Schaukelstuhl überhaupt zu verlassen. Außerdem wollte ich auch, daß er seine müden, alten Knochen dort ausruhen konnte und sich nicht auf den Boden legen mußte.
    »Nein«, widersprach Großvater eigensinnig. »So was ist nicht recht, wenn die Kleinen das Bett dringender brauchen. Und keine Widerrede, Heaven, mein Kind, tu, was ich sag’. Steck Jane und Keith ins Bett, und ihr Großen rückt zusammen, dann könnt ihr euch gegenseitig warmhalten.«
    Es tat weh, Großvater das Bett wegzunehmen, aber er konnte in solchen Dingen unerhört halsstarrig sein. Und ich hatte ihn immer für einen Egoisten gehalten! »‘s Bett ist für die Kleinsten«, darauf bestand er, »für die Schwächsten« – und dies waren natürlich Unsere-Jane und Keith.
    »Moment mal«, kreischte Fanny mit ihrer Trompetenstimme. »Wenn die Kleinen schöne warme Betten brauchen tun, dann bin ich aber die nächste in der Reihenfolge. Ist ja auch noch genug Platz für mich da.«
    »Wenn’s für dich genug Platz hat, dann aber auch für Heaven«, sagte Tom mit Nachdruck.
    »Und wenn ich Platz habe, dann kann sich auch eine Person mehr dazulegen«, fügte ich hinzu.
    »Ist nicht genug Platz für Tom!« zeterte Fanny.
    Natürlich war genug Platz.
    Tom fand am Fußende des Bettes eine freie Stelle für sich, den Kopf auf der Seite von Unserer-Jane und Keith, damit nicht die längeren Beine von Fanny und mir mit den nackten – und zudem kalten – Füßen vor seinem Gesicht lagen.
    Bevor Tom schlafen ging, mußte er aber noch einmal Holz hacken, damit wir ein stärkeres Feuer bekamen, um das Eiswasser zu schmelzen. Old Smokey spie dabei wie immer beißenden Rauch aus.
    Tom stand auch in der Nacht auf, um Holz nachzulegen. Allerdings hatten wir nur noch wenig Holz. Tom war nach der Schule jede freie Minute, bis es dunkel wurde, und den ganzen Samstag und Sonntag außerdem, damit beschäftigt, Holz für unseren alten Ofen kleinzumachen, das so schnell in seinem Rachen verschwand wie Erdnüsse in einem Elefanten.
    Er hackte so viel Holz, daß ihm seine Arme und sein Rücken schmerzten. Und da die Muskeln so weh taten, schlief er auch unruhig. Ich stand auf und rieb ihm seinen Rücken mit heißem Rizinusöl ein. Großmutter schwor auf Rizinus, es half gegen jede Krankheit. Mit genügend Rizinus konnte man auch abtreiben – davon war ich überzeugt. In der Tat, mit viel Rizinus im Bauch schmolz so ziemlich alles dahin. Jedenfalls half es gegen Toms Muskelschmerzen.
    Wenn ich nicht gerade Tom stöhnen hörte, so vernahm ich andere Geräusche in der Nacht; das pfeifende Gerassel von Großvaters Atem, das ewige Gehüstel von Unserer-Jane, den hungrigen Magen von Keith – vor allem aber hörte ich Schritte auf unserer baufälligen Veranda.
    War Vater zurück?
    Waren Bären auf der Veranda?
    Kamen Wölfe, um uns alle aufzufressen?
    Tom glaubte inbrünstig daran, daß Vater uns nicht alleine lassen würde, bis wir erfroren und verhungert waren. »Egal, was du denkst, Heavenly, er liebt uns, sogar dich.« Ich lag auf der Seite und hatte mich so klein wie möglich gemacht. Meine Füße berührten Toms Rücken, aber ich hatte meinen Kopf so gedreht, daß ich auf die niedrige Decke starren konnte, über die sich der unsichtbare Himmel wölbte, und ich betete, daß Vater stark und gesund nach Hause kommen und uns um Verzeihung bitten würde.
    Am nächsten Tag war Heiliger Abend. In unserem Schrank befanden sich nur mehr eine halbe Tasse Mehl, etwa ein Eßlöffel Schmalz und zwei vertrocknete Äpfel. Am Morgen war meine Niedergeschlagenheit so groß, daß sie mich bleischwer zu erdrücken schien. Ich konnte mich kaum rühren. Ich starrte das Essen an, das wir noch übrig hatten, und die Tränen liefen mir die Wangen herunter; und wenn Unsere-Jane auch das ganze Griebenschmalz essen würde, so könnte nicht einmal sie davon satt werden. Der Boden hinter mir knarzte, und Tom nahm mich in den Arm.
    »Wein’ nicht, Heavenly, bitte nicht. Gib jetzt nicht auf. Vielleicht können wir einige von Großvaters Holztieren in der Stadt verkaufen. Wenn es uns gelingt, haben wir genügend Geld, um uns viel Essen zu kaufen.«
    »Wenn das Schneien nachläßt«, sagte ich heiser vor Hunger, der wie ein dumpfer Schmerz unentwegt in mir

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