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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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mir gehörte.
    Vater öffnete die Tür und bat den Reverend und seine dünngesichtige Frau, die weder lächelte noch sprach, sondern nur sauertöpfisch und unglücklich dreinschaute, freundlich herein. Sie starrte entsetzt auf das, was sie sah und was für eine so reiche Frau wie sie sicherlich ein Schock sein mußte –, aber sie mußte solche Lebensumstände doch eigentlich kennen. Der gutaussehende Reverend verlor keine Minute bei seiner Wahl.
    Meine Annahme, daß Miß Deale uns den Reverend geschickt hatte, um uns zu retten, war falsch gewesen, genauso wie meine Hoffnung, daß der liebe Gott ein Wunder geschehen lassen würde. Fanny war viel weniger wirklichkeitsfremd als ich. Der Gottesmann wußte schon ganz genau, welches von Vaters drei übriggebliebenen Kindern er wollte, obwohl er uns alle genau ansah und seine Augen lange und lüstern auf mir ruhten.
    Ich trat entsetzt und erschrocken vor dem frommen Mann zurück, warf Vater einen zornigen Blick zu und sah, wie er seinen Kopf schüttelte, als sähe er es nicht gerne, daß ich in des Reverends Haus wohnen sollte.
    Mein Verdacht bestätigte sich, als Vater erklärte: »Meine Älteste ist aufrührerisch; sie gibt freche Antworten, sie ist trotzig, halsstarrig und boshaft, Reverend Wise, Mrs. Wise. Glauben Sie mir, mit meiner jüngeren Tochter Fanny treffen Sie eine viel bessere Wahl. Fanny macht keine Umstände, sie ist hübsch und lieb. Ich nenn’ sie immer mein Täubchen, mein Rehlein, meine liebe Fanny.«
    Was für eine Lüge! Nie gab er uns Kosenamen.
    Diesmal würde es wenigstens kein Gejammer und Geschrei und kein Sträuben geben. Fanny hätte nicht glücklicher sein können. Sie strahlte vor Glück. Der Reverend überreichte uns allen dreien eine Schachtel voll Konfekt, und Fanny bekam einen richtig passenden roten Mantel mit einem schwarzen Pelzkragen. Fanny war einverstanden. Mehr hatte es nicht dazu gebraucht!
    Sie hörte gar nicht zu, als man ihr erzählte, was für ein wunderschönes Zimmer sie zu ihrer Verfügung bekommen würde, das der Reverend und seine Frau eigens für sie eingerichtet hatten, oder die anderen Dinge, die sie ihr bieten wollten, wie beispielsweise Tanz- und Musikunterricht.
    »Werd’ so sein, wie Sie wollen«, rief Fanny, und ihre schwarzen Augen glänzten. »Werd’ alles machen, was Sie wollen! Bin bereit und willig zu gehen! Und vielen Dank, daß Sie mich ausgesucht haben, vielen, vielen Dank!«
    Fanny lief auf den Reverend zu und umarmte ihn. »Gott segne Sie – und wie glücklich ich bin! Ich dank’ Ihnen tausendmal! Ich werd’ nie wieder hungern und frieren. Ich mag Sie jetzt schon, das tu’ ich… dafür, daß Sie mich und nicht Heaven ausgesucht haben!«
    Fanny! Fanny! schrie ich innerlich. Hast du schon deinen Eid vergessen, daß du mit uns durch dick und dünn gehen wolltest? Gott hat es nicht so geplant, daß Familien auseinandergerissen und ihre einzelnen Mitglieder fremden Leuten zugeteilt werden. Fanny, du warst wie ein eigenes Kind für mich. »Sehen Sie, sehen Sie«, rief Vater stolz. »Wirklich, Sie haben die Beste gewählt. Ein liebenswürdiges und süßes Mädchen, für das Sie sich nie schämen müssen.«
    Wieder warf er mir einen seiner höhnischen Blicke zu, aber ich starrte nur geradeaus. Ich schämte mich für Fanny, und ich hatte Angst um sie. Was wußte eine Dreizehnjährige schon? Tom stand neben mir, er hielt meine Hand. Er war blaß und seine Augen dunkel vor Angst und Schmerz.
    Wir spielten fünf kleine Negerlein.
    Einer nach dem anderen verschwand. Dann waren’s nur mehr zwei.
    Wer würde der nächste sein, Tom oder ich?
    »Bin mächtig stolz, daß sie mich ausgesucht haben«, sagte Fanny wieder, sie konnte ihr Glück immer noch nicht fassen. Es war rührend, was Fanny mir atemlos zuflüsterte, als sie den roten Mantel angezogen hatte. »Ich werde in einem großen, reichen Haus wohnen, und du kannst mich besuchen.« Zwei- oder dreimal schnüffelte sie, um etwas Trauer zu demonstrieren, dann warf sie Tom und mir beschwörende Blicke zu. Sie nahm ihre zwei Pfund schwere Schokoladenschachtel mit und lächelte uns zu, bevor sie hinaus zum Wagen ging. »Wir werden uns ja mal in der Stadt treffen«, rief sie noch und sah sich nicht mehr um, nicht einmal nach Vater.
    Der Papierkram wurde erledigt, der Reverend zahlte die fünfhundert Dollar in bar und nahm die Quittung entgegen. Dann folgte er Fanny, seine Frau immer zwei Schritte hinter ihm. Wie ein richtiger Gentleman half der Reverend Fanny und

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