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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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läuteten, die Leute kamen, sangen und glaubten.
    Vater parkte seinen Lieferwagen weit von der Kirche entfernt (die anderen hatten alle Parkplätze besetzt), und wir gingen den Rest des Weges zu Fuß, während er meinen Arm mit eisernem Griff festhielt.
    Die anderen Gottesdienstbesucher sangen bereits, als wir eintraten.
     
    »Holt die Garben,
    Holt die Garben,
    Wir werden loben und preisen,
    Und holen die Garben…«
     
    Singt, singt, singt. Bringt Licht in den dunklen Tag, erwärmt ihn, nehmt ihm seine Schrecken. Ich schloß die Augen und sah das kleine, liebe Gesicht Unserer-Jane vor mir. Ich hielt die Augen weiter geschlossen und hörte Miß Deales glockenreinen Sopran. Ich öffnete die Augen immer noch nicht und fühlte Toms Hand in meiner und Keith an meinem Rock zupfen. Dann erscholl eine laute, ehrfurchtgebietende Stimme. Ich öffnete die Augen und starrte zu ihm hinauf: Wie konnte er sich nur ein Kind kaufen und es dann sein eigen nennen?
    »Liebe Gemeinde, wir erheben uns nunmehr und schlagen das Gesangbuch auf Seite 147 auf. Wir singen alle zusammen das Lied, das wir besonders schätzen«, wies Reverend Wise an.
     
    »Er weist uns den Weg, Und er spricht zu uns,
    Und er sagt uns, wir sind sein,
    Und den Gesang der Stimme in unseren Ohren,
    Hat vorher noch niemand vernommen…«
     
    Das Singen nahm das lastende Gewicht von meiner Brust und machte mich fröhlicher, bis ich Fanny erblickte, die in der ersten Reihe neben Rosalynn Wise saß. Fanny sah sich nicht einmal um, ob ein Mitglied ihrer »früheren« Familie in der hintersten Reihe saß. Vielleicht hatte sie gehofft, daß wir nicht kommen würden.
    Ich holte tief Luft, als ich sie im Profil sah. Wie schön sie aussah in ihrem weißen Pelzmantel und der dazu passenden Mütze sowie einem Muff. Es war zwar drückend heiß in der Kirche, aber Fanny behielt all ihre Pelzsachen an und richtete es so ein, daß jeder hinter ihr mindestens einmal den Muff zu sehen bekam. Das gelang ihr, indem sie von Zeit zu Zeit aufstand, sich aus irgendeinem vorgetäuschten Grund entschuldigte, auf eine kleine, versteckte Kammer zuging, für ein paar Minuten dort etwas erledigte und dann wieder langsam und bedächtig zu ihrem Sitz zurückschlenderte, um sich artig neben ihre neue »Mutter« zu setzen.
    Das gab natürlich jedem Kirchenbesucher die Gelegenheit, genau zu sehen, was Fanny trug, einschließlich der weißen mit Pelz gefütterten Stiefel.
    Als die Messe vorüber war, stand Fanny neben Reverend Wise und seiner großen Frau, um jedem Mitglied der Kirchengemeinde die Hand zu schütteln. Man fühlte sich sonst ausgeschlossen, wenn man nicht den Reverend oder seine Frau mit Handschlag begrüßt hatte, um sich dann wieder eine Woche lang in ein durch und durch lasterhaftes Leben zu stürzen – bis man nächsten Sonntag wiederkam und einem erneut verziehen wurde. Es war wohl so, je mehr man sündigte, um so mehr liebte Gott einen, vielleicht, weil man ihm so viel Gelegenheit gab zu verzeihen.
    Wenn Gott die Sünder so sehr liebte, dann war er gewiß regelrecht begeistert, wenn Luke Casteel seine Kirche betrat. Um diese Freude richtig auszukosten, hätte er Vater auf den Kirchenboden festnageln und ihn nie mehr freigeben sollen.
    Schritt für Schritt folgten wir den Leuten, die sich langsam aus der Kirche bewegten. Keiner sprach mit uns, nur einige Hillbillies nickten uns zu. Jedesmal wenn jemand durch die große Doppeltür hinausging, pfiff ein kalter Wind herein. Alle außer mir waren bestrebt, die Hand des Vertreters Gottes zu berühren – des gutaussehenden, wortgewandten Reverend Wise – oder wenigstens die seiner Frau oder seiner eben adoptierten Tochter.
    Fanny sah in ihrem kostbaren weißen Pelz und ihrem grünen Samtkleid wie eine Prinzessin aus. Um ihre neuen Sachen zu zeigen, tänzelte Fanny beständig hin und her.
    Als ihre eigene Familie auftauchte, wandte sie sich ab, flüsterte Rosalynn etwas ins Ohr und verschwand in der Menge.
    Vater segelte an dem Reverend und seiner Frau vorbei, ohne sie auch nur einmal anzusehen. Er hielt mich noch immer mit eisernem Griff fest. Niemand bemerkte die Casteels, oder was von der Familie übriggeblieben war.
    Großvater ging brav hinter Vater her, seinen grauen und fast kahlen Kopf demütig gebeugt, bis ich mich aus Vaters Griff befreite, zurückrannte und absichtlich die Menschenschlange zum Stehen brachte. Ich blickte Rosalynn Wise durchdringend an.
    »Würden Sie so lieb sein, wenn Sie Fanny das nächste Mal sehen,

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