Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
mich zu sich winkte, um mir etwas zuzuflüstern: »Mir geht’s gut, Kind. Weiß schon, was du denkst. Du willst ausreißen, wenn du ‘ne Chance siehst – mach dich davon, wenn Luke schläft.«
Ich liebte ihn, weil er das gesagt hatte. Ich liebte ihn so sehr, daß ich ihm sein Schweigen verzieh, als die anderen verkauft worden waren. Ich mußte jemanden haben, den ich lieben konnte, sonst hätte ich mich einfach hinlegen und sterben können. »Wirst du mich nicht mehr mögen, wenn ich dich allein lasse und weggehe? Wirst du mich verstehen?«
»Nein, werd’ nie verstehen. Ich weiß im Grund meines Herzens, daß dein Vater das macht, was er für das Beste hält. Und du denkst im Grunde deines Herzens, daß er nur böse handelt.«
Vater schien zum letzten Mal vor langer Zeit an einem fernen unbekannten Ort geschlafen zu haben. Er döste nicht, er schloß nicht einmal die Augen. Und er entließ mich keine Sekunde aus seinem kalten, dunklen Blick. Meinen herausfordernden Blick erwiderte er nicht; er starrte nur düster auf irgendeine Stelle an mir; meine Haare, meine Hände, meine Füße, meinen Rumpf, er sah überall hin, nur nicht in mein Gesicht.
Sieben Tage vergingen, und Vater blieb.
Und da erschien eines Tages Logan vor unserer Tür wie ein Prinz, der gekommen war, mich zu retten!
Ich öffnete die Tür in der Meinung, daß Großvater vom Abort zurückkehrte. »Hallo«, sagte Logan lächelnd und wurde rot. »Hab’ viel an dich gedacht in letzter Zeit und mich gefragt, warum du, Tom und die anderen nicht in die Schule kommen, jetzt, wo das Wetter wieder schöner wird. Warum bleibt ihr weg? Was treibt ihr hier?«
Er hatte also Fanny nicht gesehen – warum?
Hastig zog ich ihn herein. Früher hätte ich ihn von der Tür weggeschoben und mir tausend Entschuldigungen einfallen lassen, ihn nicht hereinzubitten. »Vater ist gerade im Hof und hackt Holz«, flüsterte ich in panischer Angst, »und Großvater sitzt draußen auf dem Abort, ich hab’ nicht viel Zeit. Vater kontrolliert mich alle paar Minuten. Logan, mir geht es schlecht, sehr schlecht! Vater verkauft uns, einen nach dem anderen. Zuerst Unsere-Jane und Keith, dann Fanny und Tom… und bald bin ich dran!«
»Mit wem sprichst du, Mädchen?« brüllte Vater, der plötzlich in der Tür stand. Ich duckte mich, und Logan stand meinem Vater Auge in Auge gegenüber.
»Ich heiße Logan Stonewall, Sir«, sagte Logan höflich, aber bestimmt. »Mein Vater ist Grant Stonewall. Er ist Besitzer der Stonewall-Apotheke. Heaven und ich sind gute Freunde, seit ich nach Winnerrow gezogen bin. Ich habe mir Sorgen gemacht, warum Heaven, Tom, Fanny, Keith und Unsere-Jane nicht mehr in die Schule kommen. Ich wollte deshalb mal nachschauen.«
»Wann meine Kinder in die Schule gehen und wann nicht, geht dich überhaupt nichts an«, schrie mein Vater. »Mach, daß du fortkommst. Wir brauchen keine Leute, die bei uns herumschnüffeln.«
Logan wandte sich zu mir. »Ich mach’ mich besser auf den Weg, bevor die Sonne untergeht. Paß auf dich auf. Übrigens habe ich gehört, daß Miß Deale nächste Woche zurück sein wird.« Er sah Vater lange und eindringlich an, und mein Herz hüpfte vor Freude – Logan glaubte mir!
»Sag dieser Lehrerin, sie soll sich gefälligst um ihren eigenen Mist kümmern«, brüllte Vater und schritt drohend auf Logan zu. »Du hast dein Verslein aufgesagt, verschwind’ jetzt.«
Ruhig sah sich Logan in der Hütte um und nahm den Anblick offensichtlicher Armut in sich auf. Ich wußte, daß er sich bemühte, Schock und Mitleid zu verbergen, aber ich konnte in seinem Gesicht lesen. Logans große, blaue Augen sahen mich an und sandten mir eine Botschaft, die ich jedoch nicht recht entziffern konnte. »Hoffentlich sehe ich dich in ein paar Tagen wieder, Heaven. Ich werde es Miß Deale ausrichten, daß du nicht krank bist. Sag mir noch, wo Tom, Fanny, Unsere-Jane und Keith sind.«
»Sind bei Verwandten auf Besuch«, sagte Vater. Er hielt die Tür weit auf, stand daneben und gab Logan unmißverständlich zu verstehen, daß er sich trollen solle, sonst würde er ihn hinausschmeißen.
Logan starrte Vater an. »Passen Sie gut auf Heaven auf, Mr. Casteel.«
»Raus«, schrie Vater voller Wut und warf die Tür hinter ihm zu.
»Warum ist dieser Junge gekommen?« fragte Vater mich, während ich mich wieder dem Ofen zuwandte und Großvater aus dem anderen Zimmer hereinstolperte. »Hast ihn gerufen, oder?«
»Er ist gekommen, weil er sich um mich kümmert,
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