Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
gebraucht wurden, hatten ebenfalls die Gestalt von Tieren. In Keramikkörben konnte man Mehl, Zucker, Tee und Kaffee aufbewahren; in einem rosafarbenen Schwein wurden Haushaltsgegenstände verstaut, die nicht mehr in eine Lade paßten, und ein magentarotes Roß saß wie ein Mensch und hielt rosa Papierservietten.
»Wie gefällt dir das, sag’s ganz ehrlich?« wollte Kitty wissen.
»Es ist sehr hübsch, so sauber, bunt und hübsch«, flüsterte ich mit heiserer Stimme.
Wir kehrten ins Wohnzimmer zurück, wo Kitty sich erneut umsah und dann ihre Augen zusammenkniff. »Sie haben sie auf den falschen Platz gestellt«, schrie sie empört auf. »Schau doch mal, wo meine Elefantentische sind? Da hab’ ich sie! In den Ecken stehen sie, in den verdammten Ecken, wo kein Mensch sie sehen kann! Heaven, wir müssen gleich jetzt das Zimmer in Ordnung bringen.«
Es dauerte eine Stunde, bis alles wieder nach Kittys Vorstellung an seinem Platz stand. Die Keramiktiere waren überraschend schwer. Ich war zum Umfallen müde. Kitty sah mich prüfend an, nahm meine Hand und zog mich zur Treppe. »Morgen gibt’s ‘ne bessere Besichtigung, ‘s wird dir gefallen. Aber jetzt müssen wir dich ins Bett bringen.«
Während wir die Treppen hinaufstiegen, plapperte Kitty ununterbrochen unzusammenhängendes Zeug über berühmte Filmstars, die zu ihren Kundinnen gehörten und die darauf bestanden, nur von Kitty frisiert zu werden. »Bevor sie in einer Show auftreten, bestellen sie immer mich. Ich weiß Dinge, die du nie im Leben glauben würdest – bestimmt nicht! Es sind sorgsam gehütete Geheimnisse… Werd’ sie auch keiner Menschenseele verraten. Ich bin stumm wie ein Grab.« Kitty hielt inne, drehte sich zu mir um und sah mich eindringlich an. »Was ist denn los? Kapierst du nichts? Hörst du mir denn überhaupt zu?«
Ich sah sie nur mehr wie durch einen Nebel vor mir. Ich war zwar so müde, daß ich im Stehen hätte einschlafen können, aber ich bemühte mich, mit Interesse ihren Histörchen über ihre reichen Kundinnen zu folgen. Ich entschuldigte mich bei ihr; es sei ein langer Tag für mich gewesen, und ich könne vor Schläfrigkeit nicht mehr besonders gut sehen noch hören.
»Was redest’n so gespreizt?«
Ich fuhr zusammen. Mein ganzes Leben lang hatte ich darauf geachtet, nicht so wie Kitty zu reden, mit verschluckten Endungen, verdrehter Grammatik und doppelter Verneinung. Jetzt wurde ich dafür getadelt. »Miß Deale hat uns beigebracht, korrekt zu sprechen.«
»Und wer, zum Teufel, ist jetzt wieder diese Miß Deale?«
»Meine Lehrerin.«
Kitty schnaufte aufgebracht, »Für Schule oder Lehrer hab’ ich noch nie was übrig gehabt. Kein Mensch redet hier in deinem hochgestochenen Yankee-Ton. Wirst dir Feinde mit deiner Aussprache machen. Mußt lernen, so wie wir hier zu reden – oder du hast die Folgen zu tragen.«
Welche Folgen meinte sie?
»Ja, Kitty.«
Oben auf der Treppe angekommen, schienen die Wände vor meinen Augen zu schwanken. Auf einmal wandte sich Kitty blitzartig um, packte mich an den Schultern und stieß meinen Kopf krachend gegen die Wand. »Aufwachen!« brüllte sie. »Wach auf und hör gut zu… Bin nicht Kitty für dich! Du hast mich Mutter zu nennen! Nicht Mama oder Mutti – und bloß nicht Mami! Ich bin Mutter. Hast du verstanden?«
Mir war schwindlig, und mein Kopf dröhnte. Sie hatte ungeheure Kraft. »Ja, Mutter.«
Kitty führte mich durch einen kurzen Gang auf eine geöffnete Tür zu, durch die ich eine schwarzglänzende Tapete mit Goldmuster schimmern sah. »Hier ist das Badezimmer«, erläuterte Kitty, trat ein und zerrte mich am Arm hinterher. »Das Ding da drüben heißt bei vornehmen Leuten Toilette, aber so fein bin ich nicht, bei mir heißt es ganz einfach Klo. Du mußt den Deckel heben, bevor du dich draufsetzt, und jedesmal nachdem du es benutzt hast, mußt du ziehen. Tu bloß nicht zu viel Papier hinein, sonst verstopft das Ding und läuft über. Dann kannst du die ganze Sauerei aufwischen. Übrigens, ‘s wird deine Aufgabe sein, das ganze Haus sauberzumachen. Ich erklär’s dir noch, wie meine Pflanzen gepflegt und gegossen werden müssen, wie du Staub wischen sollst, saubermachen, staubsaugen, und natürlich die Wäsche zu waschen hast. Aber zuerst wird gebadet.«
Hier also erfüllte sich mein sehnlichster Wunsch – ein Badezimmer im Haus, mit fließend kaltem und heißem Wasser, eine Badewanne, ein Waschbecken, Spiegel an beiden Wänden – und nun war ich zu müde, um
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