Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
hielt ihn, liebkoste ihn und küßte ihn tausendmal, ehe wir beide aufs Bett fielen und uns vor der Kälte zudeckten. Ich lag neben ihm und hörte, wie er sein Schluchzen unterdrückte und auch alles, was er sonst noch an Ängsten ausgestanden hatte. Dabei begriff ich, Troy war viel zu kompliziert für mich, um ihn je zu verstehen. Ich mußte ihn eben lieben wie er war. Vielleicht würde er dann eines Tages aus einem traumlosen Schlaf erwachen und mich vor der Morgendämmerung anlächeln. An diesem Tag wären die Gedanken an einen frühen Tod vergessen.
Dann schlief ich ein. Ab und zu war ich halbwach. Es genügte, um die Bewegungen der Luft um mich herum zu spüren, genügte, um zu fühlen, daß mich warme Arme hielten.
Dann kam der nächste Tag. Ich hielt mich in meinem Zimmer auf; ein Brief lag auf meinem Nachttisch, ein Brief von Troy. Briefe konnte ich nicht ausstehen, denn ich kannte keinen einzigen, der ohne Briefmarken gekommen war und nicht traurige Nachrichten gebracht hatte:
Meine einzig wahre Liebe,
vergangene Nacht hast Du mich mitten im Wind angetroffen. Ich saß still da und versuchte herauszufinden, welchen Sinn mein Leben hat.
Wir können nicht heiraten. Und trotzdem schlief ich mit Dir letzte Nacht und tat mein Möglichstes, damit Du schwanger wirst. Verzeih mir meinen Egoismus. Geh zu Jillian, sie wird Dir die Wahrheit erzählen. Bring sie dazu, daß sie’s tut. Wenn Du sie hart genug bedrängst, sie ›Großmutter‹ nennst und dazu zwingst, ihre Maske fallen zu lassen, wird sie es sicher tun.
Meine Liebe zu Dir ist das Schönste, was mir je zugestoßen ist. Ich danke Dir für Deine Liebe und daß Du mir so viel gibst, obwohl Du alle meine Schwächen kennst. Aber mein größter Fehler war meine überwältigende Liebe und Hingabe an meinen Bruder. Ich war blind, absichtlich blind.
Jillian kam und hat mir alles erzählt. Um Dich zu retten, muß ich das akzeptieren, was Deine Mutter hätte retten können. Denn Jillian mußte zugeben, daß Tony völlig versessen auf Deine Mutter war. Nachdem Du mich dazu getrieben hast zurückzublicken, weiß ich jetzt, daß sie ihn gehaßt hat. Und er war derjenige, vor dem sie weglief. Heaven, Du bist Tonys Tochter und meine eigene Nichte!
Ich gehe fort, bis ich lernen werde, ohne Dich zu leben. Aber ich hätte Dein Leben auch ruiniert, wenn Du nicht Tonys Tochter und meine Nichte wärest. Ich weiß nicht, wie man mit sich im Einklang leben und jeden Tag so akzeptieren kann, wie er kommt. Ich muß jedem Tag eine besondere Bedeutung geben, denn jeder Tag meines Lebens erscheint mir als der letzte.
Der Brief war mit einem riesigen TLT unterschrieben. Dieser Morgen brachte mir deutlich jenen schrecklichen Tag zurück, an dem ich in den bitteren Apfel gebissen hatte. Dann war ich langsam in das Zimmer gegangen, in dem Sarah eine Nachricht für Pa hinterlassen hatte. Sie schrieb, sie würde ihn verlassen und nie zurückkehren. Indem sie Pa verließ, überließ sie es uns allen, für uns selbst zu sorgen. Und an diesem Punkt war ich also wieder. In einem Haus, das mich nicht länger mochte, mußte ich für mich selbst sorgen.
Der unerträgliche Schmerz über meine zerbrochene Liebe verwandelte sich in rasende Wut, die mir Flügel verlieh. Ich rannte zu Jillians Zimmer, schlug an die Tür und rief ihren Namen. Ich forderte, man solle mich hereinlassen, obwohl es erst neun Uhr war und Jillian immer bis Mittag oder später schlief. Aber Jillian war schon auf. Sie hatte sich mit größter Sorgfalt gekleidet, als ob sie zum Ausgehen fertig wäre. Zu ihrem modischen, pastellfarbenen Kostüm fehlte nur noch die Jacke. Ihre Haare hatte sie weich aus dem Gesicht frisiert, so wie ich es bei ihr noch nicht gesehen hatte. Sie sah älter aus, aber gleichzeitig liebenswürdiger. Genauer gesagt: Sie wirkte weniger wie eine gespenstische Puppe in Lebensgröße.
»Troy ist fort«, sagte ich anklagend, wobei ich sie unverwandt anstarrte. »Was hast du ihm erzählt, daß er sich dazu entschloß?«
Sie antwortete nicht, sondern drehte sich nur um, nahm ihre Kostümjacke und zog sie an. Erst dann drehte sie sich wieder zurück, um mich anzusehen. Bei meinem Gesichtsausdruck riß sie bestürzt die Augen auf. Ihre blauen Augen flatterten, als ob sie sich in Tonys Arme flüchten wollte. Dann kam der erstaunlich glückliche Ausdruck wieder, der ihre Augen aufleuchten ließ.
»Troy ist fort! Wirklich?« flüsterte sie. Ihre Freude war so groß, daß mir schlecht wurde.
Ohne
Weitere Kostenlose Bücher