Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
dein Ehemann hat einen Overall, den ich mir ausleihen könnte.« Er lächelte, und ich wußte, daß er einen Witz machen wollte, aber die Verhärtung in meinem Herzen ihm gegenüber blieb.
»Bitte nicht, Tony. Trotz allem, was zwischen uns geschehen ist, Logan hat dich einmal sehr geliebt und bewundert. Zeige ihm ein bißchen Respekt.«
Tony sah zu Boden und schüttelte von Zeit zu Zeit traurig den Kopf. Dann sah er mir wieder in die Augen, seine eigenen waren mit Tränen gefüllt. »Bitte, Heaven, können wir nicht ein paar Minuten allein sein? Ich muß so dringend mit dir reden.«
»Ich werde niemals wieder mit dir allein sein«, sagte ich kalt.
»Ich verstehe dich nicht, Heaven. Ich war betrunken, ich hatte über Jillians Tod fast den Verstand verloren. Ich war – «
»Deine Trauer über diesen Verlust nahm merkwürdige Formen an.«
»Heaven, komm nach Farthy zurück! Logan, du und ich können noch einmal von vorne beginnen«, bettelte er plötzlich wie ein kleiner Junge. »Ich weiß, es könnte funktionieren.«
Ein Funken Mitleid glimmte in mir auf. Er sah plötzlich so alt aus, so grau und hilflos.
»Ich weiß, wir könnten dort alle glücklich werden«, fuhr er fort. »Und außerdem, Heaven, ich glaube, du hast mein Verhalten in dieser Nacht übertrieben. Ich wollte dich nur umarmen. Ich wollte nur lieb zu dir sein wie ein Vater!«
»Verschwinde jetzt von hier«, sagte ich ruhig, aber mit eisiger Stimme. »Verlasse augenblicklich diesen Ort.«
Tony sah vollkommen besiegt aus. »Ich nehme an, du hast Logan alles erzählt.«
»Er ist mein Ehemann. Natürlich habe ich ihm alles erzählt«, erwiderte ich kühl. Er nickte, und seine blauen Augen richteten sich auf die Fahne über dem Partyzelt.
»Ich werde dich nicht bitten, mir zu vergeben. Das ist etwas, das du von selbst tun wirst oder nicht. Ich bitte dich nur, meine Motive mit einzubeziehen«, sagte er. »In jedem Fall«, fuhr er fort, bevor ich etwas erwidern konnte, »komme ich jetzt einige Zeit nicht mehr hierher. Ich habe jetzt sehr viel in Boston zu tun, du wirst also genügend Zeit haben, alles mit den richtigen Hintergründen zu sehen. Und«, er sah mich aus seinen blauen Augen an, die zum ersten Mal seit seiner Ankunft weich wurden, »die Zeit ist etwas Magisches. Sie heilt alle unsere Wunden.«
»Aber es bleiben Narben«, sagte ich. Er nickte, sichtlich enttäuscht.
»Leb wohl, Heaven. Ich bin sicher, Logan und dir wird es hier gut gehen«, sagte er, drehte sich schnell um und ging auf seine Limousine zu, wo Miles wie ein Wachposten stand. Ich beobachtete Tony, wie er hinten in den Wagen einstieg. Miles schloß die Türe und sah für den Bruchteil einer Sekunde zu mir her, dann stieg er ein und fuhr davon. Ich sah zu, wie das Fahrzeug die Straße entlangfuhr, wie es dahinschwand wie eine Erinnerung, die im Laufe der vorbeirasenden Zeit kleiner und kleiner wird, bis sie vollständig vergessen ist, ausgetrieben von dem Ticktack von hunderttausend Uhren.
Ich drehte mich um, und der fröhliche Lärm von Fiedeln, Stimmen und Gelächter erfüllte mich.
Ich entschied, daß das einzig Richtige in diesem Moment war, an der Party teilzunehmen. Logan und sein Stellvertreter machten Führungen durch die Fabrik. Exemplare der Willies-Spielsachen waren ausgestellt, Puppen und geschnitzte Tiere, die wir herstellen wollten. Aber ihre Holzgesichter wirbelten plötzlich um mich herum, die geschnitzten Tiere schienen lebendig zu werden. Ich fühlte mich nach allem, was passiert war, so schwindlig und merkwürdig, als ich inmitten dieses Spielzeugs stand, Spielzeug, mit dem ich aufgewachsen war, als ich ein Ginghamkleid und Zöpfe trug. Ich lehnte mich gegen den Schaukasten.
Logans Mutter kam zu mir und bestand darauf, mich den Ehefrauen einflußreicher Geschäftsmänner aus Winnerow und Umgebung vorzustellen. Ich konnte ihre Gesichter kaum voneinander unterscheiden, sie sahen alle wie die Puppen aus.
»Mutter«, sagte ich, »mir ist ein wenig schwindlig.«
»Du siehst blaß aus«, sagte sie. »Vielleicht solltest du dich ein wenig hinlegen. Ich weiß, daß Logan eine Liege in seinem Büro hat. Dort legst du dich hin.«
»Und was ist mit Drake? Wo ist er?« fragte ich und fühlte, wie meine Beine unter mir nachgaben. »Ich habe versprochen, daß ich ihn zu dem Apfelessen-Wettbewerb bringen würde. Ich habe versprochen – «
»Heaven, sieh doch selbst«, sagte sie und zeigte auf den Rasen.
Ich sah, daß Drake sich schon mit einigen Kindern seines
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