Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
um mich kümmerst«, sagte er und lächelte plötzlich mit neuer Frische. »Deine Mutter hat sich nie richtig um mich gekümmert«, fügte er hinzu.
»Meine Mutter?« Wie kam er denn darauf, wunderte ich mich. Meine Mutter war viel zu jung gewesen, um sich um solche Dinge zu kümmern. Sie war fortgelaufen, als sie längst noch nicht alt genug war, um die Pflichten eines Erwachsenen zu übernehmen. »Meine Mutter?« wiederholte ich.
Sein Lächeln verblich langsam. Er schüttelte den Kopf und beugte sich nach vorn. Dann rieb er seine Wangen und Augen, als ob er die Spuren von einem schweren Schlaf fortwischen wollte. Er holte tief Luft und schaute auf zu mir.
»Es tut mir leid«, sagte er schließlich. »Ich habe mich ein bißchen in der Zeit verloren. Du hast im Schatten gestanden, und ich durchlebte noch einmal einen Augenblick, in dem Leigh durch diese Tür gekommen war. Anscheinend beschäftige ich mich zu viel mit der Vergangenheit. Du hast recht. Ich sollte duschen, mich umziehen und etwas Vernünftiges essen. Ich weiß nicht, was ich tue und warum ich es tue. Heaven, ich fühle mich so schuldig wegen Jillian«, fügte er als Geständnis hinzu.
»Aber Tony«, sagte ich, »du solltest dich nicht verantwortlich fühlen. Du hast sie mit allem versorgt, was sie brauchte… Martha Goodman, Ärzte, Medikamente… du hast es ihr angenehm gemacht…«
»Und ich habe sie in ihrer kranken Welt belassen«, sagte er. »Aus reiner Bequemlichkeit habe ich gehofft, die ganze Zeit gehofft, sie würde daraus aussteigen und zu mir zurückkehren. Das war falsch. Wenn ich sie in eine Anstalt gegeben hätte, vielleicht…«
»Tony, sie wäre dort nicht glücklicher gewesen. Vielleicht hätte sie nicht die Tabletten genommen, aber sie wäre dort so viele andere kleine Tode gestorben.«
Nachdenklich schaute er mich an. Dann nickte er.
»Du bist eine bemerkenswerte Frau geworden, Heaven. Wenn ich dich so ansehe, muß ich an unser erstes Gespräch in diesem Büro denken. Damals hast du mir die Wahrheit über deine Vergangenheit erzählt und wie Leigh gestorben ist, und ich habe dir die Spielregeln und Befehle diktiert. Ich dachte, du wärst wild, undiszipliniert und zurückgeblieben. Ich wollte dich zu einer Person nach meiner Vorstellung formen.
Wie sich herausstellte, hattest du ein festes Rückgrat und einen starken Willen. Du wolltest so werden, wie es dir bestimmt war und wie du es dir vorgestellt hattest. Nichts, was ich dir gab oder sagte, konnte diese Tatsache ändern.« Er lachte. »Ich hätte mich auf die Erbanlagen von mir besser verlassen sollen, nicht wahr? Ich hätte dir gleich sagen sollen, wer dein Vater ist.«
»Vielleicht«, sagte ich. In diesem Haus kommt die Wahrheit oft zur falschen Zeit, dachte ich. Ich war versucht, ihm zu sagen, daß ich wußte, daß Troy noch lebte, aber ich hielt mich zurück. Im Augenblick war er noch zu aufgewühlt. Seine Wunden waren noch offen. Trotzdem war ich böse auf ihn, daß er es mir, aus welchem Grund auch immer, verheimlicht hatte. Doch meine Wut zu zeigen und es ihm jetzt vorzuwerfen wäre unfair gewesen.
»Wo ist Logan?«
»Ich habe ihn zurück nach Winnerow geschickt«, sagte ich. »Er hat alle fünf Minuten dort angerufen.«
»Richtig. Winnerow. In meiner Erinnerung ist alles so verschwommen. Es kommt mir so vor, als hätte man mir auf den Kopf geschlagen und mich dann bewußtlos zurückgelassen.«
»Auf eine Art war es auch so.«
»Ja. Gut, ich reiße mich jetzt lieber zusammen. Ich gehe jetzt hoch, dusche, ziehe mich an und komme dann zum Essen. Sag bitte Rye Bescheid, ja?«
»Das tue ich, aber er hat sicher schon etwas fertig. Er hatte die ganze Zeit über immer etwas fertig.«
Tony nickte.
»Ich möchte dir danken, daß du mir so viel Kraft und Trost gibst, Heaven«, sagte er. »Du hast bewiesen, daß du tüchtig und verläßlich bist. Ich bin froh zu wissen, daß du eines Tages, wenn es soweit ist, meine Position übernehmen und unser Finanzimperium führen kannst.«
»Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis es soweit ist«, sagte ich. Er antwortete nicht. Er schaute mich nur an und kam hinter dem Schreibtisch hervor. Plötzlich umarmte er mich und drückte mich fest an sich.
»Dank sei Gott, daß du hier bist«, flüsterte er. »Dank sei Gott, daß du zurückgekehrt bist.« Er küßte mich auf die Stirn, hielt mich noch einen Moment lang fest und ging dann. Ich blieb noch einen Augenblick in dem Büro stehen und dachte darüber nach, wie kompliziert
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