Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
mich zu wehren, aber ich war so geschwächt und so müde, daß ich mich nicht richtig wehren konnte, was er sicher als eine Art Ermutigung empfand. »Wir werden uns die ganze Nacht lieben, so wie früher, und wenn du willst, darfst du mich ›Daddy‹ nennen.«
Ich sollte ihn ›Daddy‹ nennen? Was für einen entsetzlichen Vorschlag hatte er da gemacht?
Tonys Hand hielt meine Schulter mit eisernem Griff fest; sein Gesicht näherte sich dem meinen, und schließlich berührten seine Lippen meinen Mund. Ich zog meinen Kopf zurück, aber seine andere Hand umklammerte noch immer meine Taille und hielt mich fest. Da ich im unteren Teil meines Körpers keine Kraft hatte, war ich fast völlig hilflos.
»TONY! HÖR AUF! HÖR AUF!«
Seine Hand wanderte von meiner Taille hinauf zu meinen Brüsten, und er stöhnte vor Erregung.
»O meine Leigh, meine Leigh.«
Ich schaffte es, den Griff seiner Hand um meine linke Hüfte zu lösen, krallte mich in seinen linken Unterarm und versuchte verzweifelt, seine Finger von meiner Brust zu lösen. Diese Heftigkeit schien ihn zu erschrecken.
»TONY! HÖR AUF! ICH BIN ANNIE! UND DU MACHST GERADE ETWAS GANZ SCHRECKLICHES, ETWAS, DAS DU DEIN LEBEN LANG BEREUEN WIRST.«
Endlich erreichten ihn meine Worte. Er erstarrte plötzlich. Um meinen Widerwillen noch deutlicher zu machen, beugte ich mich vor und drückte mit beiden Händen gegen seine Brust, um ihn wegzuschieben. Diese Anstrengung kostete mich meine letzte Kraft, und ich fiel erschöpft in die Kissen zurück.
»Was?« sagte er, als würde er Stimmen vernehmen, die ich nicht hören konnte. »Was?«
»Geh weg«, stieß ich hervor. »Geh weg. Laß mich allein.«
»Was?« Er wandte sich um und starrte in die dunkelste Ecke des Zimmers. Sah er dort jemanden? Rief ihn einer von Rye Whiskeys Geistern? Vielleicht war es der Geist meiner Urgroßmutter oder auch der Geist meiner Großmutter, der von ihm verlangte, mich in Frieden zu lassen. »O mein Gott«, murmelte er schließlich. »O mein Gott.«
Er stand auf und starrte mich an. Ich wartete mit pochendem Herzen. Was passierte in diesem verwirrten und gequälten Gehirn? War er auf dem Weg zurück in die Wirklichkeit, oder schlug er gerade einen anderen Pfad in dem Labyrinth seiner Verrücktheit ein, an dessen Ende er sich wieder in meinem Bett befinden würde?
»Ich… es tut mir leid«, flüsterte er. »Oh, es tut mir so schrecklich leid.« Er bückte sich und hob seinen Morgenmantel auf. Hastig zog er ihn an und wickelte ihn fest um seinen Körper. Ich sah ihm zu, ohne etwas zu sagen, denn ich hatte Angst, daß der Klang meiner Stimme ihn wieder in seine Wahnwelt zurückversetzen könnte. »Ich… Ich muß jetzt… muß jetzt gehen«, stammelte er. »Gute Nacht.«
Ich hielt den Atem an und rührte mich nicht, als er sich von meinem Bett entfernte und zur Tür hinausging. Dann war er fort, aber mein Herz hörte nicht auf zu rasen. Ich hatte Angst, er könnte zurückkehren, und war doch zu schwach und erschöpft, um mein Bett zu verlassen und aus meinem Zimmer hinauszukriechen.
Ich schwitzte so sehr, daß mir das Nachthemd an der Haut klebte. Ich mußte von hier fort! Ich mußte Drake oder Luke oder irgend jemanden überreden, mich unverzüglich fortzubringen. Aber Drake war in New York. Und was, wenn auch Luke nicht kommen würde? Mein Verstand geriet in Panik, flatterte verzweifelt wie ein eingesperrter Vogel. Rye Whiskey! Er mußte mir helfen! Oder Troy! Oder Parson! Irgend jemand! Bitte, kann mir nicht irgend jemand helfen, von diesem Verrückten wegzukommen? Was hatte er meiner Großmutter angetan, daß sie vor ihm davongelaufen war? Schon den Gedanken daran konnte ich kaum ertragen. Mein einziger Trost war, daß es bald hell werden mußte. Ich schlang meine Arme um meinen Oberkörper, so wie Mammi es immer mit mir getan hatte, wenn ich einen bösen Traum hatte und sie an mein Bett gekommen war. Und das hier war mehr als ein böser Traum. Ich hatte Angst davor, wieder einzuschlafen; Angst, daß ich aufwachen und Tony wieder nackt neben mir vorfinden würde. Meine Augenlider jedoch wurden immer schwerer, und ich glitt in einen Schlaf der Erschöpfung.
»Guten Morgen«, sang Tony fröhlich. Ich blinzelte und sah, wie er die Vorhänge weit aufmachte. Das helle Sonnenlicht vertrieb die letzten Schatten. Tony öffnete die Fenster, um frische Luft hereinzulassen, und die Vorhänge begannen über dem Fensterbrett einen lustigen Tanz. Ich blieb regungslos auf meinem Kissen liegen,
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