Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
dir genauso ist. Du bist ihr sehr ähnlich.«
»Ich mache mir keine Gedanken darüber, wie ich aussehe, Tony. Ich gehe nicht wegen der anderen Leute hin.«
»Oh, ich weiß. Aber es ehrt das Andenken deiner Mutter und deiner Großmutter, wenn du dieses Kleid trägst.« Er legte es auf mein Bett und trat einen Schritt zurück, wobei er wie hypnotisiert auf das Kleid starrte. Dann wandte er sich wieder mir zu. »Weißt du, Annie wenn du dir die Haare silberblond färben würdest, dann wärst du das Ebenbild deiner Großmutter.« Er sah sich rasch um, und sein Blick blieb an einem der silbergerahmten Fotos auf dem langen Toilettentisch hängen. »Warte, ich will dir zeigen, was ich meine.« Er nahm das Bild und zeigte es mir. »Siehst du?«
Es war eine Aufnahme meiner Großmutter Leigh, als sie etwa in meinem Alter war; und ich mußte zugeben, daß die Ähnlichkeit tatsächlich verblüffend war und sicher noch größer wäre, wenn auch ich helle Haare hätte.
»Willst du dir es nicht wenigstens überlegen? Nur um dich abzulenken, während du hier im Bett liegen mußt. Ich lassen den besten Friseur aus der Gegend kommen. Was meinst du dazu?«
»Ich soll mir die Haare silberblond färben? Tony, das meinst du doch nicht ernst?«
»Es ist mein Ernst. Ich könnte es nicht ernster meinen. Stell dir vor, wie überrascht alle wären, wenn sie dich besuchen.«
»Ich weiß nicht so recht.« Ich mußte beinahe lachen, aber dann sah ich das Foto meiner Großmutter noch einmal an. Ihr Gesicht hatte etwas Faszinierendes an sich… ihre Augen, ihre Nase, ihr Kinn – genau wie bei meiner Mutter und bei mir. War das der Grund, weshalb Mammi sich damals die Haare gefärbt hatte? fragte ich mich.
»Es gibt auch viele Bilder von deiner Mutter, als sie helle Haare hatte«, erzählte Tony, als ob er meine Gedanken erraten hätte. Er zeigte mir noch eines der silbergerahmten Fotos, eine Aufnahme von Mammi, als sie und Daddy nach ihrer Hochzeit hierhergekommen waren. Ich hielt die beiden Fotos nebeneinander.
»Verblüffend, nicht wahr?«
»Ja, sehr.«
»Wann soll ich den Friseur kommen lassen?«
»Tony, ich habe noch nicht zugestimmt. Ich weiß nicht so recht.«
»Du siehst doch, wie wunderschön deine Großmutter mit den hellen Haaren aussah. Und deine Mutter ebenso. Was denkst du?« Seine Augen glühten förmlich vor Begeisterung und Sehnsucht.
»Ich weiß nicht. Vielleicht.«
»Diese ganze Therapie und die Medikamente und das Alleinsein – das ist doch alles auf die Dauer sehr langweilig.« Er blickte sich um. »Ach, laß es mich doch tun«, bat er flehentlich. »Laß mich den Friseur bestellen. Du solltest dich wieder wie eine wunderschöne junge Frau fühlen, und nicht wie eine Kranke.«
Ich lächelte über seinen Enthusiasmus. Es wäre sicher ein angenehmes Gefühl, wenn ich mir wieder hübsch vorkäme. Ich blickte auf die Fotos. Vielleicht würde ich mich meiner Mutter näher fühlen, wenn ich die gleiche Haarfarbe hätte, die sie in meinem Alter trug. Sie sah auf diesem Foto so glücklich aus! Und meine Großmutter Leigh… sie hatte eine wilde, ungezähmte Schönheit. Das helle Haar paßte gut zu ihrem Teint, aber würde das bei mir auch so sein?
»Nun? Was hältst du davon?« Tony ließ nicht locker. Er wirkte schon ganz kribbelig.
»O Tony, ich weiß es wirklich nicht. Ich habe noch nie daran gedacht, mir die Haare zu färben. Es könnte ja auch ganz entsetzlich aussehen.«
»Wenn es dir nicht steht, dann lasse ich den Friseur sofort zurückkommen, damit er deinen Haaren wieder ihre Naturfarbe gibt.«
»Vielleicht nach der Trauerfeier, Tony. Ich möchte mich jetzt im Augenblick nicht mit so etwas befassen. Ich danke dir.« Damit gab ich ihm die Fotos zurück. Er schien enttäuscht, nickte aber verständnisvoll.
»Was ist mit dem Kleid?«
»Drake wird mir etwas Passendes mitbringen. Ich habe ein schwarzes Kleid auf meine Liste gesetzt.«
»Möchtest du es nicht wenigstens anprobieren?«
Ich merkte, wieviel es ihm bedeutete, und wurde langsam selbst neugierig, wie ich wohl darin aussehen mochte.
»Ich schicke Mrs. Broadfield herein, damit sie dir dabei behilflich sein kann. Wenn du es anhast, ruf mich«, fügte er noch hinzu und eilte hinaus, ehe ich etwas erwidern konnte. Ich hatte eigentlich nicht gemeint, daß ich es jetzt gleich anprobieren wollte, aber er war so aufgeregt und glücklich wie ein Kind vor der Weihnachtsbescherung. Ich konnte es ihm einfach nicht abschlagen. Gleich darauf erschien Mrs.
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