Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
Sie sorgte dafür, wie ich an einem der späteren Wochenenden herausfand, daß er seine Mahlzeiten zu anderen Zeiten bekam, damit sie nicht an einem Tisch mit ihm sitzen mußte.
Im Frühjahr bildeten sich neue Allergien bei ihm heraus, und er mußte fast wöchentlich einen Hautarzt und einen Allergiespezialisten aufsuchen.
Es lag auf der Hand, daß er sich in sich selbst zurückzog und die meiste Zeit damit verbrachte, mit den Spielsachen zu spielen, die Tony ihm kaufte, aber er bastelte sich auch eigenes Spielzeug. Eine Reihe seiner eigenen Erfindungen war ausgezeichnet, und es war eine darunter, die Tony sogar zu einem Tatterton Toy für Kinder in Troys Alter verarbeitete.
In den Frühlingsmonaten fingen Tony und ich mit dem Reiten an. Er entschloß sich, es mir selbst beizubringen. Wir ritten am Strand entlang und durch die Dünen. Troy wollte schrecklich gern mit uns kommen und Sniffles, sein Pony, reiten, aber der Allergiespezialist verbot ihm strengstens jeden Kontakt zu Tieren. Er durfte keinen Welpen und kein Kätzchen haben, noch nicht einmal einen Hamster.
In jenem Winter und auch in den Frühlingsmonaten war Mama so glücklich wie nie. Ich tat genau das, was sie wollte – ich verbrachte den größten Teil meiner Wochenenden mit Tony und gab ihr damit die Freiheit, sich ihren eigenen Beschäftigungen zu widmen. Im Lauf der Woche hatte Tony sehr viel zu tun, und soweit ich es dem entnehmen konnte, was er und sie mir erzählten, verbrachten sie oft ganze Tage, ohne sich auch nur zu sehen. Ich fragte mich, was aus dieser rasenden Leidenschaft geworden war, aus diesen erhabenen Momenten voller Zauber, in denen es ausgesehen hatte, als ginge die Welt unter, wenn sie nicht ständig zusammen sein konnten.
Daddys Postkarten und Briefe trafen in den Wintermonaten und bis in den Frühling hinein regelmäßig ein. Dann fiel mir auf, daß schon lange kein Brief mehr gekommen war. Gerade, als ich schon glaubte, ich würde nie wieder von ihm hören, oder ihm könnte etwas zugestoßen sein, kam doch ein Brief. Darin erwähnte er jemanden, von dem ich noch nie etwas gehört hatte, und er sprach von dieser Frau, als hätte er sie schon immer gekannt.
»Und heute«, begann der mittlere Absatz, »haben Mildred Pierce und ich auf den Champs Elysées zu Mittag gegessen. Es war ein herrlicher Tag, und auf der Straße wimmelte es von Wagen, von Einheimischen und von Touristen aus aller Welt, eine regelrechte Modenschau. Es war der erste Tag seit Ewigkeiten, an dem ich mir wirklich freigenommen habe. Wir sind in Museen gegangen, und ich habe mich von ihr sogar dazu überreden lassen, auf den Eiffelturm zufahren. Mildreds Gesellschaft ist großartig für mich.«
Mildred Pierce? dachte ich. Wer war Mildred Pierce? Ich las mir alle Briefe, die Daddy geschrieben hatte, noch einmal durch, um nachzusehen, ob er sie vorher schon einmal erwähnt hatte. War sie eine Sekretärin, eine Verwandte, eine bekannte Persönlichkeit, die ich hätte kennen müssen? Es war äußerst verwirrend, aber auch in der Art, in der Daddy schrieb: »Mildreds Gesellschaft ist großartig für mich«, steckte etwas, was mein Herz einen Schlag lang aussetzen ließ.
Wie alt war diese Mildred Pierce? War sie vielleicht in meinem Alter, jemand, der mir seine Aufmerksamkeit raubte? Ich hätte liebend gern auch mit Daddy auf den Champs Elysées zu Mittag gegessen und wäre mit ihm auf den Eiffelturm gefahren. Es war einfach ungerecht.
Und dann fand ich, daß es schrecklich egoistisch von mir war, Daddy diesen Tag zu mißgönnen, den er als seinen ersten freien Tag seit Ewigkeiten bezeichnete. Ich konnte seinen nächsten Brief kaum abwarten, weil ich wissen wollte, ob er sie noch einmal erwähnen würde. Er tat es nicht, aber er schrieb, daß sich seine Rückkehr in die Staaten noch ein wenig hinauszögern könnte. Er nannte keinen Grund dafür, aber ich konnte ahnen, daß etwas zwischen den Zeilen stand. Mama hätte meine Gefühle weibliche Intuition genannt. Alles, was ich wußte, war, daß ich tief in meinem Innern fürchtete, durch jemand anderen ersetzt zu werden und die Liebe meines fernen Vaters zu verlieren. Ich hielt jedesmal den Atem an, wenn ich einen von Daddys Briefen öffnete oder eine seiner Postkarten las.
Anfang Juni kam es dann. Daddy schrieb, daß er Mitte Juli zurückkehren würde und kaum erwarten könne, mich zu sehen und mich mit Mildred Pierce bekannt zu machen.
Ich konnte verstehen, daß es meinen Vater glücklich machte, jemanden
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