Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
gefunden zu haben, der seine Zeit mit ihm verbrachte. Aber er äußerte sich derart enthusiastisch über diese Frau, daß ich mich sorgte und mir weh ums Herz wurde.
»Mildred und ich passen sehr gut zusammen. Sie interessiert sich für die Dinge, die mich interessieren, und sie ist ein reizender, sanftmütiger Mensch. Ich bin sicher, daß sie Dir gefallen wird. Mit ihr zusammen zu sein, ist, als könne ich die grauen Wolken vertreiben und wieder Sonne in mein Leben bringen.«
Aber Daddy, rief ich innerlich, ich dachte, ich sei diejenige, die Sonne in dein Leben bringt. Ist das der wirkliche Grund dafür, daß du so lange von mir fort warst? Hat mir jemand dein Herz gestohlen?
Und was ist, wenn diese Mildred Pierce mich nicht mag oder nichts mit mir zu tun haben will oder eifersüchtig auf mich ist? Wirst du dann noch weniger Zeit für mich haben? Ich sah Daddys Fotografie auf meiner Kommode lange an, während ich mir die entsetzlichste Frage stellte: Wenn sich Daddy eine neue Familie zulegte, wohin gehörte ich dann?
Eines Abends Mitte Juni erklärte Tony beim Abendessen seine Absicht, geschäftlich nach Europa zu reisen. Ganz im Gegensatz zu früheren Zeiten, wenn Daddy solche Pläne angekündigt hatte, reagierte Mama nicht mit bitteren Klagen und einem unzufriedenen Schmollen. Sie zeigte sich äußerst verständnisvoll und sehr interessiert an seinem Vorhaben.
»In Europa gibt es eine Firma«, erklärte er, »von deren Existenz ich erst kürzlich erfahren habe. Sie ist meiner eigenen ganz ähnlich und stellt die verschiedensten Spielzeuge für sehr reiche Europäer her. Ich fürchte, daß diese Firma eine Expansion in die Vereinigten Staaten vorhat. Sie könnte uns die Kundschaft wegnehmen. Ich möchte mehr über das Unternehmen in Erfahrung bringen und mir mit eigenen Augen ansehen, inwieweit sie mir Konkurrenz machen könnte.
Warum kommst du nicht mit, Jillian? Es könnte eine Art zweite Hochzeitsreise werden. Ich habe nicht ständig geschäftlich zu tun. Wir könnten uns auch vieles ansehen.«
»Nach Europa? Jetzt?« stöhnte Mama. »Dort ist es zu heiß, und der ganze Kontinent ist von Touristen überschwemmt. Und außerdem sagte ich dir doch schon, daß wir ins Auge fassen sollten, hier auf Farthy ein paar Räume umzugestalten. Du hast gesagt, ich hätte freie Hand und könnte mich mit den Innenarchitekten zusammensetzen. Es ist jetzt wirklich an der Zeit, daß ich mich damit befasse.«
Tony war nicht glücklich über ihren Entschluß, aber ein paar Tage später brach er allein nach Europa auf. Mama schien erleichtert zu sein, als sei eine große Verantwortung von ihren Schultern genommen worden. Sie machte sieh an die Umgestaltung des Hauses, hatte lange Sitzungen mit den Innenarchitekten und beschaffte sich Musterbücher für Tapeten, Teppiche, Stoffe und Möbelkataloge, die sich im Musikzimmer stapelten. Sie scharte die Fachleute um sich wie eine Königin ihren Hofstaat, und sie liefen von einem Zimmer ins andere, um alles zu besprechen. Mama hörte sich Vorschläge an und machte eigene Vorschläge. Sie lud sie sogar zum Abendessen ein, um die Gespräche über Moderichtungen, farbliche Gestaltung und Einrichtungsstile mit ihnen fortsetzen zu können.
Das Schuljahr endete, und wir alle vom »Privatclub« verabschiedeten uns voneinander und versprachen, uns so oft wie möglich zu schreiben. Ich fand es schrecklich, daß ich nie eine von meinen Freundinnen, noch nicht einmal Jennifer, nach Farthy eingeladen hatte, doch jedesmal, wenn sie sich danach erkundigten, war ich gezwungen gewesen, eine Ausrede zu erfinden, und dabei stützte ich mich meistens auf Troys gesundheitliche Probleme. Ich wußte, daß sie alle enttäuscht waren, insbesondere Jennifer, aber ich konnte kaum etwas daran ändern. Jedesmal, wenn ich dieses Thema angesprochen hatte, war Mama in Panik geraten und manchmal sogar in helle Wut. Es war noch zu früh… ich sollte warten. Allmählich hatte ich das Fragen satt.
Kaum eine Woche nach Tonys Abreise nach Europa überraschte mich Mama jedoch mit ihrer Ankündigung, ich könne Jennifer für ein paar Tage nach Farthy einladen. Ich rief Jennifer zu Hause an und sagte es ihr. Sie quietschte vor Freude. Es war erst eine Woche her, seit das Schuljahr geendet hatte, und doch vermißten wir uns schon entsetzlich.
Sie war tief beeindruckt von Farthy. Ich ritt mit ihr am Strand entlang, und wir gingen täglich schwimmen. Sie war begeistert von Troy, der sie gern herumführte und ihr sein
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