Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
– sie war gerade von einer Bridgepartie zurückgekommen und wollte duschen und sich für das Abendessen umziehen.
»O Leigh«, sagte sie, sowie ich ihr Schlafzimmer betreten hatte. Sie schien überrascht zu sein. »Ich hatte ganz vergessen, daß du heute nach Hause kommst. Ich hatte vergessen, daß heute Freitag ist. Kannst du dir das vorstellen? Da siehst du, wie beschäftigt ich die ganze Woche über war.« Sie stand in ihrem Slip da und hatte ihr Haar gelöst. Jetzt lächelte sie und breitete die Arme aus, denn sie erwartete, daß ich mich ihr in die Arme werfen würde. Einen Moment lang war ich peinlich berührt, und dann ließ sie die Arme schnell wieder sinken. »Warte«, sagte sie. »Laß dich ansehen. Du wirkst jetzt schon wesentlich reifer, oder ist dein Ausdruck etwa vorwurfsvoll? Bist du mir aus irgendwelchen Gründen böse?«
»Mama, du hast mich die ganze Woche nicht einmal angerufen. Ich habe mich hier gemeldet und Curtis eine Nachricht für dich hinterlassen. Er hat gesagt, du seist mit Freundinnen unterwegs und ihr würdet in Boston Einkäufe erledigen. Du hättest mich wirklich in der Schule besuchen können«, klagte ich.
»O Leigh, wie hätte das denn ausgesehen, wenn ich mit all diesen eleganten Damen vorbeigekommen wäre, um meine Tochter zu besuchen, die doch nur ein paar Tage fort war? Sie hätten geglaubt, daß ich dich wie ein Baby behandele. Und außerdem machst du dir gar keine Vorstellung davon, was es heißt, mit diesen Frauen unterwegs zu sein. Sie schnattern und klatschen so viel, daß wir kaum Zeit finden, etwas zu tun. Ich bin diejenige, die immer sagt: ›Bitte, meine Damen, wir sollten uns jetzt endlich in Bewegung setzen, oder wir kommen zu gar nichts.‹ Aber sie bewundern mich alle grenzenlos. Sie sagen, ich sei das frischeste, munterste und gescheiteste Wesen, das ihnen seit Ewigkeiten über den Weg gelaufen ist.
Nein, du darfst mir wirklich nicht böse sein«, beharrte sie. »Du brauchst nicht zu glauben, ich hätte nicht an dich gedacht. Ich habe Tony gebeten, dich im Lauf der Woche noch einmal aufzusuchen und zu sehen, wie es dir geht, und das hat er getan, oder etwa nicht?«
»Doch, aber das ist nicht dasselbe, Mama«, protestierte ich.
»Pah. Du wirst schon so pedantisch wie dein Vater. Das sind diese puritanischen Gene der van Voreens, die du geerbt hast«, erklärte sie. Ich war so wütend, daß ich ihr fast gesagt hätte, was ich wußte. Ich wollte sie zwingen, endlich mit den Lügen aufzuhören.
»Und außerdem wollte Tony dich sehen. Du bist ihm sehr ans Herz gewachsen, Leigh. Du kannst dir nicht annähernd vorstellen, wie sehr mir das das Leben erleichtert. Bitte, sei mir nicht böse«, schmeichelte sie und breitete wieder die Arme aus.
Ich wollte ihr widerstehen; ich wollte reden und reden, bis sie endlich verstand, wie grausam sie mich behandelt hatte, aber auf ihrem Gesicht stand eben dieses sanfte Lächeln, das ich als kleines Mädchen an ihr geliebt hatte.
Ich drückte sie an mich und ließ mich von ihr festhalten. Sie wärmte meine Wangen mit Küssen und strich mir über das Haar, und irgendwie war es mir unangenehm, daß mich das glücklich machte. Dann setzte sie mich neben sich auf ihr Bett, um mir von all den neuen Freundinnen zu erzählen, die sie gewonnen hatte, eine reicher als die andere, und alle stammten aus angesehenen Familien.
»Warum schaust du denn immer noch so traurig?« fragte sie plötzlich. »Liegt es vielleicht an deinem Abendessen mit deinem Vater?« Ihre Augen zogen sich argwöhnisch zusammen. »Tony hat mir davon erzählt.«
»Nein, Mama. Doch, ja, es hat schon auch damit zu tun«, gestand ich und erzählte ihr von Daddys Plänen, eine europäische Filiale zu gründen, und von seiner langen Abwesenheit.
»Das überrascht mich nicht, Leigh«, zischte sie. »Und du brauchst nicht zu glauben, wenn wir nicht geschieden wären, hätte er nichts dergleichen unternommen. Ach, wenn ich an die kostbare Zeit denke, die ich vergeudet habe, an meine vergeudete Jugend!« Ihr Gesicht glühte einen Moment lang vor Enttäuschung und Wut, doch dann sah sie sich im Spiegel.
»Oh, ich darf es mir einfach nicht erlauben, die Stirn zu runzeln!« rief sie mit einer solchen Verzweiflung aus, daß ich wirklich zusammenzuckte. »Schließlich sagt einer der besten Schönheitsexperten, daß das Stirnrunzeln die Faltenbildung beschleunigt.« Es klang geradezu hysterisch. »Ich habe einen Artikel gelesen, den er geschrieben hat. Menschen mit einem
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