Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung

Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung

Titel: Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
eingesetzt hat.«
    »Aber Tony ist nicht blind!« wandte ich ein.
    »Dennoch versucht er nur, seine Sinne anzuregen«, sagte sie und trug Lippenstift auf. »Was ihr da tut, ist wunderbar… für euch beide. Er scheint ganz begeistert zu sein und ist so zufrieden. Um dir die Wahrheit zu sagen, Leigh«, sagte sie und drehte sich wieder zu mir um, »ehe er sich auf dieses Projekt gestürzt hat, dachte ich, er bringt mich noch um den Verstand. Er stand Tag und Nacht vor meiner Tür und hat meine Aufmerksamkeit für sich verlangt. Mir ist nie klargewesen, wie besitzergreifend er ist. Ein Mann wie Tony kann jede Frau zur Erschöpfung bringen, bis sie tot umfällt!« erklärte sie und lächelte. »Denk doch bloß an die Puppe und daran, was das bedeutet. Alle werden darüber reden – und über dich.«
    »Mama, ich habe mir Gedanken über die Puppe gemacht und über die Bilder, die Tony gemalt hat.«
    »Ja, und?«
    »Es geht so nicht… es ist nicht richtig.«
    »Das kann ich nicht glauben, Leigh. Ich weiß, daß Tony ein begabter Künstler ist; ich habe einige von seinen Sachen gesehen.«
    »Ich sage ja nicht, daß er kein großer Künstler ist, Mama. Er hat mein Gesicht gut gezeichnet, und das Bild sieht mir wirklich ähnlich, aber…«
    »Aber? Aber was? Du redest unverständliches Zeug, und wir müssen uns zum Abendessen zurechtmachen«, schnitt sie mir das Wort ab, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut.
    »Der Rest von mir sieht nicht nach mir aus, sondern nach dir!« gestand ich. Sie starrte mich einen Moment lang an. Die Erleichterung spülte wie eine Woge über mich hinweg. Endlich verstand sie, warum ich außer mir war. Doch plötzlich lächelte sie.
    »Das ist ja wunderbar«, erklärte sie. »Einfach großartig.«
    »Was?«
    »Wie geschickt. Er vereint uns beide miteinander in diesem wunderbaren neuen Kunstwerk. Aber schließlich war das wohl nicht anders zu erwarten – der Mann ist absolut besessen von mir. Er denkt Tag und Nacht nur an mich«, sagte sie und spielte mit ihrem Haar. Dann drehte sie sich wieder zu mir um. »Das darfst du ihm nicht vorwerfen, Leigh. Er kann ganz einfach nichts dagegen tun. Jetzt kannst du sicher verstehen, warum ich manchmal fortlaufe und warum er Ablenkung braucht. Es ist so schwierig für eine Frau, wenn ein Mann buchstäblich den Boden anbetet, den sie betritt.« Sie seufzte. »Manchmal wünschte ich, er wäre deinem Vater ähnlicher.«
    Sie sah auf ihre diamantene Uhr. »Du willst doch nicht etwa in dieser Aufmachung zum Abendessen erscheinen, oder? Zieh dir heute abend etwas Feines an. Diese Leute sind sehr reich und bedeutend. Ich möchte, daß du einen guten Eindruck machst.« Sie sah sich wieder im Spiegel an.
    »Dann glaubst du also, daß das alles in Ordnung ist?« fragte ich.
    »Aber selbstverständlich. Stell dich nicht an wie ein kleines Baby, Leigh. Es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis Tony damit fertig ist, und dann hat er hoffentlich etwas anderes zu tun, was seine Energien genausosehr in Anspruch nimmt.« Sie unterbrach sich, musterte mich einen Moment lang und stand dann auf, um in ihren Schmuckkasten zu sehen und die Ringe auszuwählen, die sie tragen wollte.
    Ich erhob mich langsam und ging.
     
     
    Vielleicht hatte meine Mutter Tony etwas von unserer Unterhaltung erzählt, denn bei unserer nächsten Sitzung rührte er mich nicht an. Er vertiefte sich immer mehr in seine Arbeit, und wir sprachen kaum miteinander, bis wir eine Mittagspause machten, und selbst dann war er abgelenkt und stand oft auf, um etwas auf der Leinwand zu überprüfen.
    Er brachte fast einen halben Tag mit meinen Händen und Füßen zu, musterte sie und maß sie, und häufig murmelte er vor sich hin, während er seine Zeichnungen betrachtete. Eines Nachmittags langweilte ich mich so sehr, daß ich tatsächlich ein paar Minuten lang einschlief. Falls er es bemerkt hatte, ging er nicht darauf ein. Am Ende der ersten Woche hatte er mich aus jeder Perspektive gezeichnet und gemalt.
    Allabendlich war diese Arbeit beim Essen der Gesprächsstoff Nummer eins, selbst dann, wenn wir Gäste hatten; mir fiel jedoch auf, daß Tony und meine Mutter nie erwähnten, daß ich bei dieser Arbeit nackt war.
    Ich beklagte mich kein zweites Mal bei meiner Mutter über das Modellstehen, aber ich wünschte mir immer mehr, es würde bald alles vorbei sein. Zu Beginn der zweiten Woche erklärte Tony dann, daß er jetzt mit der Skulptur beginnen und das Modell für die Puppe formen wollte. Da er sämtliche

Weitere Kostenlose Bücher