Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
gesagt hatte. Er riß die Augen auf und lächelte strahlend.
»Glaub bloß nicht an die Geschichte mit den sitzengelassenen Frauen. Ich habe im letzten Jahr nicht eine einzige dieser Tanzveranstaltungen besucht«, gestand er.
»Nein? Ich auch nicht.«
»Wirklich?« Er lächelte und schien lockerer zu werden. »Möchtest du ein Glas Punsch?« fragte er.
»Ja, bitte.«
Nachdem er mir ein Glas gebracht hatte, gingen wir zu einer Bank, um uns hinzusetzen und miteinander zu reden. Ich erfuhr von ihm, daß sein Vater Nachlaßverwalter war, daß er zwei Brüder und eine Schwester hatte und außerhalb von Boston lebte. Seine Familie hatte ein Haus in West Palm Beach, Florida, aber auch ein Sommerhaus am Strand bei Cape Cod. Als er erst einmal angefangen hatte, über sich selbst zu reden, hörte er nicht mehr auf. Ab und zu warf ich einen Blick auf den »Privatclub«. Manche Mädchen hatten Partner gefunden und tanzten. Toby und Betsy waren noch allein und starrten mich mit neiderfüllten Blicken an.
Er fragte mich, wo ich wohnte, und ich erzählte ihm von Farthy. Er hatte schon von Tatterton Toys gehört. Als ich Tony erwähnte, sprach ich von ihm als meinem »Stiefvater«. Joshua fragte mich nicht nach meinem richtigen Vater und erkundigte sich auch nicht danach, warum meine Mutter wieder geheiratet hatte. Das fand ich äußerst anständig.
Wir tanzten, aßen eine Kleinigkeit und tanzten dann wieder. Jennifer und William waren die meiste Zeit mit uns zusammen. Schließlich konnte sie sich dann nicht mehr beherrschen und forderte mich auf, mit ihr zur Toilette zu kommen. Die Tür noch nicht hinter uns geschlossen, als sie auch schon mit ihren Fragen herausplatzte.
»Gefällt er dir? Macht es dir Spaß? Wie ist er?«
»Ja, er gefällt mir. Er ist sehr nett und höflich«, sagte ich. »Er gibt mir das Gefühl… eine Dame zu sein.«
»Das freut mich ja sehr«, sagte Jennifer, und wir umarmten uns und lachten. Ehe wir jedoch wieder gehen konnten, stürzte Marie in den Waschraum, und die anderen folgten ihr geschlossen. Sie baute sich vor uns auf und stemmte die Hände in die Hüften.
»So, ihr beiden, was geht hier vor? Wie kommt es, daß niemand von uns etwas davon gewußt hat, daß ihr Freunde in Allandale habt?« fragte sie.
»Er ist nicht mein Freund«, sagte ich eilig. »Ich habe ihn heute erst kennengelernt.«
Marie wandte sich an Jennifer.
»Ich habe William gegen Ende der Ferien kennengelernt, aber er hat mich noch nicht gefragt, ob ich mit ihm gehen will oder so was«, erwiderte sie.
Marie biß sich auf die Unterlippe. »Ihr hättet uns anderen trotzdem sagen müssen, daß ihr verabredet seid«, sagte sie. »Mitglieder des ›Privatclubs‹ verbergen nichts voreinander. Wir vertrauen uns alles an. Das ist es ja, was unseren Club zu etwas ganz Besonderem macht«, fügte sie noch hinzu, und ihre Augen sprühten Funken.
»Aber…«
»Wir kommen uns alle idiotisch vor, weil wir nichts davon gewußt haben. Das ist eine Form von Verrat an unserem Vertrauen«, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Das ist doch albern, Marie. Wir haben dir doch gesagt…«
»Es ist eben nicht albern.« Sie wandte sich an die anderen. »Findet hier sonst noch jemand, daß das albern ist?« Sie musterten uns alle mit dem gleichen Gesichtsausdruck wie Marie – wütend, eifersüchtig und gehässig. »Ihr hättet es uns sagen müssen«, wiederholte sie. »Aber das sieht euch ähnlich, solche Dinge für euch zu behalten. Du hast ja auch niemanden außer Jennifer auf deinen tollen Landsitz eingeladen, oder? Du hältst dich für etwas Besseres.«
»Nein, ganz bestimmt nicht. Ich habe dir doch schon gesagt…«
»Viel Spaß noch«, fauchte sie und wandte sich ab. Die übrigen Mädchen liefen hinterher und funkelten uns noch einmal neidisch an und rauschten hinaus.
»O Leigh, es tut mir leid«, rief Jennifer aus. »Jetzt habe ich dir Schwierigkeiten gemacht.«
»Ich habe keine Schwierigkeiten, Jen. Die sind doch nur neidisch und sonst gar nichts. Vergiß sie. Wir werden genau das tun, was Marie gesagt hat. Wir werden unseren Spaß haben. Und außerdem ist es ebensosehr meine Schuld wie deine. Ich habe ihnen schließlich auch nichts davon gesagt.«
Jennifer nickte, aber ich sah, daß sie fassungslos war.
»Komm schon«, beharrte ich. »Vergiß es.« Ich nahm sie an der Hand und führte sie in den Saal.
Doch der Rest des Abends wurde zum Alptraum. Die anderen starrten uns immer wieder gehässig an. Keine von
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