Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
Aber wenn es erst entflammt ist, breitet sich das Feuer zu schnell aus. Es brennt lichterloh und verschlingt dich mit dem Heu. Ich will dir diese Dinge zeigen, dich warnen, dir etwas beibringen. Du darfst dich niemals vor mir fürchten. Du mußt mir vertrauen und mir gestatten, dir zu helfen. Wirst du das tun, Leigh? Wirst du das tun?« fragte er eindringlich.
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Mir Dinge zeigen? Mich warnen? Mir etwas beibringen? Was sollte das bloß alles heißen?
»Ich habe es dir doch schon gesagt, Tony. Ich weiß zu schätzen, daß du dir Sorgen um mich machst.«
»Ja«, sagte er. »Sorgen. Ja.« Er zog mich in seine starken Arme und küßte mich aufs Haar. »Meine wunderschöne Puppe. Mein ganz spezielles Kunstwerk.«
Er drückte mich lange und fest an sich. Endlich lockerte sich sein Griff, und ich wich zurück. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und lächelte.
»Dann sind wir wieder Freunde?« fragte er.
»Ja, Tony. Wir sind Freunde.«
»Gut. Nichts könnte mich mehr betrüben, als jetzt deine Freundschaft und deine Zuneigung zu verlieren, vor allem nachdem wir gemeinsam so erfolgreich waren«, sagte er und betrachtete Angel. »Sieh sie nur an, wie sie uns beobachtet. Ich habe in ihrem Gesicht nur einen Teil deiner Schönheit eingefangen – eine Note deiner wunderbaren Melodie, und immer wenn ich sie ansehe, kann ich dieses Lied hören. Jetzt verstehe ich, daß sich ein Künstler in seine eigenen Schöpfungen verlieben kann.« Er wandte sich wieder an mich, und mir fiel das Gemälde wieder ein, das ich in dem Häuschen gesehen hatte.
»Tony, warum malst du mich immer noch?«
»Ich male dich wieder?«
»Ja, ich spreche von dem Gemälde, das auf der Staffelei stand.«
»Das ist kein neues Gemälde, Leigh.«
Aber ich war ganz sicher, daß es neu war. Ich hatte sämtliche Bilder gesehen, und auf keinem waren Mamas Züge derart deutlich zutage getreten.
»Warum ist das Häuschen immer noch als Atelier eingerichtet?«
»Ich bin einfach noch nicht dazu gekommen, alles auszuräumen. Ich gehe gern von Zeit zu Zeit wieder hin und durchlebe noch einmal die Momente, die wir zusammen dort verbracht haben. Das Häuschen ist für mich inzwischen zu einem ganz besonderen Ort geworden.« Sein Gesicht wurde härter, seine Lippen wurden schmaler und seine Augen kleiner. »Deshalb war ich auch so enttäuscht darüber, daß du heute einen Fremden dorthin mitgenommen hast.«
»Joshua ist kein Fremder, Tony«, versicherte ich eilig.
»Dennoch hatte ich gehofft, du würdest etwas Besonderes in dem Häuschen sehen. Wenn du je wieder jemanden dorthin mitnehmen willst, frag mich bitte vorher, einverstanden?« Ich nickte. Ich war müde und wollte dieses seltsame Gespräch beenden.
»Jedenfalls bin ich eigentlich gekommen, um dir noch einmal alles Gute zum Geburtstag zu wünschen.«
»Danke, Tony.«
Er kam wieder ganz nah zu mir.
»Alles Gute zum Geburtstag, Leigh«, flüsterte er und küßte mich kurz auf die Lippen. »Schlaf gut«, setzte er hinzu, und dann wandte er sich ab und ging.
Sobald er weg war, schloß ich meine Tür. Ich wußte nicht mehr, was ich denken sollte. Ich wusch mich und machte mich fertig zum Schlafengehen, und ich war froh, neben Angel unter meine weiche Decke kriechen zu können. Die Ereignisse des vergangenen Tages zogen noch einmal vor meinen Augen vorüber, und mir fiel wieder ein, daß ich versprochen hatte, Joshua noch einmal anzurufen, und daher setzte ich mich auf und wählte seine Nummer.
»Hier ist Joshua«, sagte er. Er meldete sich nie mit hallo.
»Leigh.«
»Ist alles in Ordnung?«
»Ja. Mein Stiefvater ist vor einer Weile gegangen. Er hat sich Sorgen gemacht, aber er wird die Sache nicht hochspielen, und meiner Mutter wird er auch nichts davon sagen. Mach dir keine Gedanken. Mir ist das ohnehin ganz gleich. Wir haben nichts Böses getan. Ich wollte von dir geküßt werden«, gestand ich.
»Und ich wollte dich küssen. Es war eine wunderbare Party, Leigh. Die schönste Party, die ich je besucht habe.«
»Es war wunderbar, weil du hier warst und wir zusammen sein konnten. Wirst du mich am nächsten Wochenende in der Schule besuchen?«
»Natürlich. William und ich überlegen schon, was wir tun könnten.«
»Ich kann es kaum erwarten. Gute Nacht, Joshua.«
»Gute Nacht, Leigh.«
»Angel wünscht dir auch eine gute Nacht«, fügte ich lachend hinzu. Ich hielt meine Puppe an den Hörer, als könne sie ihn wirklich hören und mit ihm
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