Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
sich ein Mädchen in meinem Alter nur hätte wünschen können.
Für Mama sah das ganz anders aus. Trotz ihres enormen Reichtums und obwohl sie jetzt mit einem gutaussehenden, gescheiten und wohlhabenden Geschäftsmann verheiratet war, klagte sie ständig über irgend etwas. Sie regte sich immer noch über ihr Gesicht und Unvollkommenheiten ihres Äußeren auf. Ende Mai kündigte sie schließlich an, sie würde zu einer »Wunderkur«, über die sie von ihren reichen Freundinnen gehört hatte, in die Schweiz reisen. Sie wollte mindestens einen Monat dableiben. Für mich war das Beste daran, daß sie sagte, ich könne bis zum Ende des Schuljahrs durchgehend in Winterhaven bleiben.
Sie reiste in der letzten Maiwoche ab. Zwei Wochen später endete mein zweites Jahr in Winterhaven. Joshua, William, Jennifer und ich schmiedeten alle erdenklichen Pläne für den Sommer. Ich hoffte, daß es mir möglich war, wenigstens die Hälfte der Unternehmungen mitzumachen. Ich wollte sie gleich am Anfang der Ferien für ein Wochenende nach Farthy einladen, aber als ich mit Tony darüber sprach, meinte er, es sei besser, die Rückkehr meiner Mutter abzuwarten, bevor ich irgendwo hinfuhr oder Freunde zu mir einlud.
Das war unsere erste Auseinandersetzung, die sogar den kleinen Troy aus der Fassung brachte.
»Ich bin doch kein kleines Mädchen, Tony. Ich brauche doch nicht für alles, was ich tue, die Zustimmung meiner Mutter«, beklagte ich mich.
»Nein, aber schließlich wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis sie zurückkommt, und es wäre besser, wenn sie solche Dinge entscheidet«, versuchte er mich zu besänftigen.
»Warum? Es geht doch nicht um eine größere Entscheidung, die mein weiteres Leben beeinflußt. Ich möchte lediglich ein paar Freunde übers Wochenende hierhaben. Du kannst nicht behaupten, wir hätten zu wenig Platz oder könnten uns diese Ausgaben nicht leisten«, beharrte ich.
»Natürlich haben wir genug Platz, und natürlich können wir uns Gäste leisten. Aber du bist immer noch minderjährig, und die Entscheidungen darüber, wohin du gehst und wen du einlädst, müssen von einem Erziehungsberechtigten getroffen werden«, erwiderte er. »Und wenn ich noch dazu bedenke, was passiert ist, als du ein einziges Mal mit einem jungen Burschen allein warst… ich müßte meine gesamte Zeit als Anstandsdame zubringen und…«
»Das ist ungerecht«, protestierte ich.
»Dennoch ist es eine enorme Verantwortung. Mir wäre wesentlich wohler zumute, wenn wir Jillians Rückkehr abwarteten. So lange dauert es ja auch nicht mehr, und außerdem…«
»Ich werde mich zu Tode langweilen, bis Mama nach Hause kommt!« schrie ich. Daraufhin traten auch dem kleinen Troy die Tränen in die Augen.
»Nein, ganz bestimmt nicht«, behauptete Tony und lächelte ganz plötzlich. »Ich werde ein paar Tage nicht ins Büro gehen, und bei diesem wunderbaren Wetter können wir jede Menge unternehmen. Wir könnten ausreiten. Das Schwimmbecken im Freien habe ich schon einlaufen und aufheizen lassen…«
»Das ist nicht dasselbe!« beharrte ich. Ich warf meine Serviette auf meinen vollen Teller. »Ich fühle mich hier eingesperrt.«
»Leigh, du wirst doch jetzt wohl nicht hysterisch werden. Bisher ist alles so glatt gelaufen, und ich möchte keinesfalls…«
»Das ist mir egal. Es ist einfach ungerecht«, wiederholte ich und stand auf.
»Leigh!« rief Tony, aber ich lief aus dem Zimmer, stürzte die Treppe hinauf und warf mich in meiner Suite auf mein Bett. Ich drückte Angel an mich und schluchzte, bis ich keinen Ton mehr herausbrachte. Dann setzte ich mich hin, wischte mir die Augen aus und betrachtete meine wunderschöne Puppe. Sie sah mich so mitfühlend an und schien selbst ganz traurig zu sein.
»O Angel«, jammerte ich, »warum kann es mir nicht so wie anderen jungen Leuten in meinem Alter gehen, die in einem ganz normalen Haus mit einer ganz normalen Familie zusammenleben und die Dinge tun können, die Mädchen in meinem Alter tun wollen? Ich mache mir nichts aus all diesem Luxus. Wozu soll er gut sein, wenn er mich nicht glücklich macht?«
Ich seufzte. Natürlich konnte mir meine Puppe keine Antwort darauf geben, aber ich fühlte mich besser, wenn ich mit ihr redete.
Mit Angel im Arm stand ich auf und trat an das Fenster, von dem aus man auf die Gartenanlagen vor dem Haus sehen konnte. »Es ist wie im Gefängnis, Angel. Meine Freunde können nicht herkommen, und ich kann nicht hinfahren und sie besuchen, solange Mama weg
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