Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
es war wunderbar, Luke.« Ja, das stimmte, denn dort hatte ich eine Zeitlang all meine Sorgen vergessen können.
»Wirklich? Das freut mich sehr. Ich fand es auch wunderbar. Es war, als sähe ich all das zum ersten Mal, weil ich es mit dir zusammen gesehen habe. Deine Art, die Dinge anzusehen, ist so frisch und unvoreingenommen, Angel. Irgendwie fühle ich mich dadurch… ich weiß nicht… ich fühle mich wichtiger und bedeutender, wenn ich mit dir zusammen bin«, sagte er und nickte, nachdem er die Worte ausgesprochen hatte.
Ich sah ihn nicht an. Ich wollte nicht, daß er mir ins Gesicht sehen konnte, denn es wäre mir peinlich gewesen, ihm zu zeigen, wie sehr ich ihn mochte. Er hatte keine besondere Schulbildung, er war nicht reich, und er kleidete sich nicht elegant wie die Jungen in Allandale, aber er hatte eine Art, mit der Welt zurechtzukommen, die ich bewunderte. Luke Casteel war erst siebzehn Jahre alt, aber er war ein Mann.
Er hielt vor einem Motel.
»Das brauchst du wirklich nicht zu tun, Luke«, sagte ich und legte meine Hand auf seine.
»Ich weiß. Ich tue das auch nicht, weil ich es tun muß. Ich tue es, weil ich es tun will. Und jetzt wirst du mit Angel hier sitzenbleiben und geduldig warten. Ich komme gleich mit deinem Zimmerschlüssel wieder«, sagte er und ging zum Empfang. Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen. Er hatte recht: Ich war so müde, daß ich wirklich ein bequemes Bett für die Nacht brauchte. Die Reise, der Tag im Zirkus und der Schock über den verpaßten Zug hatten mich erschöpft. Ich nickte auch tatsächlich ein, während er an der Rezeption war, um mir ein Zimmer zu besorgen. Ich erwachte jäh, als er die Tür aufriß und in den Wagen sprang.
»So«, rief er und fuchtelte mit dem Schlüssel vor meiner Nase herum. »Ein hübsches Zimmer mit zwei Betten und einem Fernsehapparat.«
»Ich glaube nicht, daß ich die Augen offenhalten und fernsehen könnte. Du hättest ein billigeres Zimmer nehmen sollen.«
»Sie kosten hier alle dasselbe«, erklärte er und hielt vor dem Bungalow an. Er nahm meinen Koffer und schloß die Tür auf. Ich drückte Angel an mich und folgte ihm.
Es war ein kleines Zimmer mit schmutziggrauen Wänden und hellgrünen Vorhängen, die verstaubt wirkten. Darin standen zwei Betten mit einem zerschrammten Holztisch dazwischen und zwei Nachttischen. Auf jedem Nachttisch stand eine kleine Lampe, und die gelben Lampenschirme waren fleckig und verstaubt. Auf Farthy gab es Abstellkammern, die doppelt so groß wie dieses Zimmer waren, aber daran störte ich mich nicht. Die weiche Matratze sah äußerst einladend aus. Luke stellte meinen Koffer ab und ging ins Bad. Er schaltete das Licht an und sah sich genau um.
»Sieht aus, als würde alles funktionieren. Bist du sicher, daß du nichts essen willst? Wie wäre es mit einer schönen heißen Tasse Tee? Eine halbe Meile weiter gibt es ein Restaurant direkt an der Straße. Ich bräuchte nur ein paar Minuten, um dir etwas Warmes zum Trinken zu besorgen. Und vielleicht etwas Süßes, du mußt doch essen«, sagte er und musterte mich besorgt.
»Meinetwegen«, sagte ich. »Ich werde mich inzwischen waschen und mich ins Bett legen.«
»Prima. Ich bin im Nu wieder da.« Er klatschte in die Hände und lief hinaus.
Wieder mußte ich über seine Begeisterung lächeln. Er wollte etwas für mich tun, als wäre er für mein Wohlergehen verantwortlich. Vielleicht war ich dem bösen Zauber, der mich verfolgt hatte, jetzt entronnen.
Ich duschte, zog eines meiner zarten Seidennachthemden an und löste mein Haar. Es fiel strähnig über meine Schultern, aber ich war zu müde, um es zu waschen und es auszubürsten. Ich gelobte mir, es am kommenden Morgen gleich zu tun. Dann kroch ich mit Angel an meiner Seite unter die Decke eines der Betten. Das Bettzeug war hart und steif und roch nach Stärke, aber ich war viel zu erschöpft, um mich daran zu stören. Luke klopfte sachte an die Tür und kam dann mit heißem Tee, Maiskuchen mit Marmeladefüllung und einer Flasche Bier zurück, die er für sich mitgebracht hatte. Er stellte alles auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett ab und zog sich einen Stuhl heran. Er sah mich so besorgt an, wie er es getan hätte, wenn er der hoffnungsvolle Vater gewesen wäre. Seine dunklen Augen schimmerten zart und liebevoll. Er lächelte und deutete auf Angel. »Diese Puppe sieht dir wirklich unglaublich ähnlich. Ihr habt beide so schönes Haar«, sagte er und strich Angel zärtlich über die
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