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Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung

Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung

Titel: Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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den Minen oder in den Spinnereien gearbeitet, Luke?« fragte ich.
    »Meine Brüder haben eine Zeitlang dort gearbeitet, als sie noch jünger waren, aber sie konnten nie länger in einer Stellung bleiben und sind dann weitergezogen. Mein Pa dachte gar nicht daran, eine solche Arbeit anzunehmen. Lieber hat er sich abgemüht, um von der Feldarbeit zu leben. Zwischendurch hat er seltsame Jobs angenommen, oder er hat schwarzgebrannten Whisky verkauft. Ich kann nicht sagen, daß ich ihm das vorwerfe.
    Eins sollte ich dir gleich vorweg sagen, Angel: Die Städter können die Leute aus den Bergen nicht besonders gut leiden. In der Kirche müssen wir in den hintersten Reihen sitzen, und sie halten ihre Kinder von unseren Kindern fern.«
    »Aber das ist ja entsetzlich, Luke. Wie kann man solche Dinge nur an kleinen Kindern auslassen?« rief ich und versuchte, mir auszumalen, wie sehr ihn das früher getroffen haben mußte. »Niemand sollte sich besser als andere vorkommen.«
    »Gut, aber erzähl das mal dem Bürgermeister von Winnerrow«, sagte er lächelnd. »Ich wette, das brächtest du fertig. Ich kann es kaum erwarten, dich in die Kirche mitzunehmen, Angel. Ich kann es kaum erwarten«, sagte er kopfschüttelnd.
    Wir kamen an eine Weggabelung, und Luke bog nach rechts ab. Hier endete die Teerstraße, und wir fuhren über harten Lehm und Kies. Wir fuhren immer weiter durch die Wälder und kamen schließlich auf einen holprigen Feldweg. Die Gerüche von Geißblatt, Walderdbeeren und Himbeersträuchern stiegen in meine Nase. Hier in den Bergen von West Virginia war es kühl und frisch und klar, und ich fühlte mich sofort lebendiger. Es war, als reinigte mich die Bergluft und schwemmte all das Schlechte aus meinem Körper.
    »Wir sind fast da, Angel. Du brauchst nicht mehr lange durchzuhalten. Warte nur, bis Ma dich erst mustert.«
    Ich hielt den Atem an. Wo lebte seine Familie? Konnte sie so tief in den Wäldern leben? Wie konnten sie hier ein Haus mit Rohren haben, die an eine Kanalisation oder an die Wasserversorgung angeschlossen waren? Und wo waren die elektrischen Leitungen und die Telefonkabel? Alles, was ich sah, waren Bäume und Sträucher.
    Plötzlich glaubte ich, Musik zu hören. Luke strahlte über das ganze Gesicht.
    »Pa sitzt auf der Veranda und fiedelt«, sagte er.
    Wir fuhren um ein paar kräftige Bäume herum, die dicht zusammen wuchsen, und hielten an. Wir waren da – hier war Luke zu Hause. Ich konnte nicht vermeiden, daß ich erstaunt nach Luft schnappte. Zwei kleine Hunde, die es sich an einem sonnigen Fleckchen bequem gemacht hatten, sprangen auf und bellten aufgeregt.
    »Das sind Kasey und Brutus«, sagte Luke. »Meine Hunde. Und hier bin ich zu Hause.«
    Zu Hause! dachte ich. Die Hütte war aus alten Holzstämmen mit zahllosen knorrigen Astlöchern gebaut. Das Dach bestand aus verrostetem Blech. Die Hütte hatte Dachrinnen mit Fallrohren und Regenfässern, und mir wurde klar, daß sie wirklich dazu dienten, Wasser darin zu sammeln.
    Über die Vorderfront der Hütte zog sich eine schiefe, baufällige Veranda, auf der zwei Schaukelstühle standen. Ein Mann, den ich mühelos als Lukes Vater erkennen konnte, saß mit einem Banjo auf dem Schoß da. Er hatte pechschwarzes Haar und dunkle Haut, und er wirkte zwar, als hätte er ein hartes Leben hinter sich, aber sein Gesicht wies nach wie vor schöne Züge auf – eine gerade römische Nase, ausgeprägte Wangenknochen und ein festes Kinn. Er wirkte derb, aber als er Luke sah, lächelte er sanft und liebevoll.
    Die Frau, die neben ihm saß und häkelte, wirkte wesentlich strenger. Sie hatte ihr langes Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, der ihr auf den Rücken fiel. Sie schien etwa so alt wie meine Mutter zu sein, aber als ich sie genauer betrachtete, merkte ich, daß sie viel älter aussah. Ich sah, daß ihr etliche Zähne fehlten und daß sie Falten um die Augen und auf den Schläfen hatte. Die Furchen auf ihrer Stirn waren tief und deutlich zu sehen.
    Lukes Mutter mußte einmal eine sehr hübsche Frau gewesen sein. Sie hatte Lukes dunkle Augen, und wenn ihr Haar auch von grauen Strähnen durchsetzt war, schimmerte es doch seidenweich. Sie machte einen stolzen und entschlossenen Eindruck. Sie war fast so groß wie Luke. Ich sah, daß ihre Hände rauh und männlich wirkten, weil sie ihre Fingernägel kurz geschnitten und Schwielen auf den Händen hatte.
    »Ma!« rief Luke und sprang aus dem Lastwagen. Sie umarmte ihn heftig. Mütterlicher Stolz und

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