Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
Troy ist schon am Strand.«
Sowie wir über die Kuppe gekommen waren, lag das Meer vor uns. Es war ein atemberaubender Anblick. Troy war unten am Strand und grub schon mit seiner Schaufel im Sand. Der Strand zog sich in beide Richtungen, soweit das Auge reichte.
»Ist das Ihr Privatstrand?« fragte ich überrascht.
»Ja. Dort ist eine kleine Bucht«, erklärte er und deutete nach rechts, »ein ganz privater, abgeschiedener, stiller Ort, den ich früher immer aufgesucht habe, wenn ich allein sein wollte.«
»Wie traumhaft.«
»Gefällt es Ihnen hier, Leigh?« fragte er und sah mich wieder mit diesen durchdringenden Augen an.
»Ja, sehr.«
»Das freut mich.« Er lächelte mich mit einer solchen Wärme an, daß sein Blick mich fast einsog. Wie alt er wohl sein mochte? fragte ich mich. Zeitweise wirkte er weltgewandt und sehr, sehr klug, und dann wieder schien er ein großer Junge zu sein. Er sah wieder auf das Meer hinaus.
»Hier ist es wunderschön«, sagte er. »Als ich sieben war, wurde ich nach Eton geschickt, weil mein Vater fand, die Engländer verstünden sich besser auf Disziplin als unsere Privatschulen. Er hatte zwar recht, aber ich habe immer nur davon geträumt, wieder zu Hause zu sein, auf Farthy.« Er schloß die Augen und fügte mit sanfter Stimme hinzu: »Immer, wenn ich Heimweh hatte, habe ich die Augen zugemacht und mir eingeredet, ich könnte die Tannen, die Föhren und die Kiefern riechen, und noch stärker als alles andere die salzige Meerluft.«
Als er redete, hielt ich den Atem an. Ich hatte nie jemanden so von seinem Zuhause sprechen hören. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Er schlug die Augen so abrupt auf, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige gegeben.
»Aber es bringt eine Menge Verantwortung mit sich, ein Anwesen dieser Größenordnung zu verwalten und ein Geschäft zu leiten, das sieh sprunghaft ausweitet. Und dazu kommt noch ein kleines Kind, um das man sich kümmern muß.«
»Und Sie sind noch so jung«, sagte ich. Es war mir einfach so herausgerutscht. Er lachte.
»Für wie alt halten Sie mich?«
»Ich weiß es nicht… zwanzig.«
»Dreiundzwanzig.«
Dreiundzwanzig, dachte ich. Mama war viel älter als er, obwohl man ihr das nicht ansah.
»Kommen Sie, lassen Sie uns am Strand entlang schlendern und dem Rauschen des Ozeans lauschen. Wir dürfen nicht zu früh ins Haus zurückkommen und die Künstlerin bei der Arbeit stören. Sie wissen ja, wie Künstler sind – empfindsam und launisch«, sagte er und lachte.
Wir machten einen schönen Spaziergang. Er erzählte mir von seinen Plänen, sein Geschäft auszuweiten, und er stellte mir viele Fragen nach der Schule und meinem Leben in Boston. Anschließend gingen Troy und ich Muscheln sammeln, und Tony legte sich an den Strand, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und schloß die Augen. Als wir ins Haus zurückkehrten, hatte Mama schon aufgeräumt und sich wieder umgezogen. Der größte Teil des Schlosses an der Deckenkuppel war gemalt.
»Ich habe noch schätzungsweise einen Tag daran zu arbeiten«, erklärte sie. »Wir müssen uns jetzt auf den Rückweg nach Boston machen. Ich möchte vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein.«
Troy ließ enttäuscht den Kopf hängen.
»Leigh kommt ein anderes Mal wieder, Troy. Es gehört sich nicht, sich so vor Gästen zu benehmen«, wies Tony ihn an. Troy blickte zu mir auf, und in seinen Augenwinkeln sammelten sich Tränen. »Und jetzt bedanke dich für den Besuch, und wünsche ihnen eine gute Heimfahrt.«
»Danke«, sagte Troy. »Und eine schöne Heimfahrt«, wiederholte er brav.
»Danke, Troy«, sagte ich.
»Ich lasse Miles den Wagen vorfahren«, sagte Tony und ging hinaus.
»Möchtest du uns zum Wagen bringen?« fragte ich Troy. Er nickte und nahm meine Hand.
Ich kniete mich hin, ehe ich in den Wagen stieg, und gab Troy einen Kuß auf die Wange. Er legte die Finger auf seine Wange, dachte einen Moment lang nach und gab mir dann auch einen Kuß auf die Wange, ehe er sich abrupt umdrehte und die Stufen zum Haus hinauflief. Curtis machte ihm die Tür auf.
Tony und Mama sprachen auf der anderen Seite des Wagens leise miteinander, und dann setzte sich Mama ans Steuer.
»Bis bald, Leigh«, sagte Tony, und seine Augen schienen in mich hineinzuschauen und meine Gedanken zu lesen. »Ich hoffe, der Tag auf Farthy hat Ihnen gefallen und Sie werden bald wiederkommen.«
Ich wandte den Blick ab. »Auf Wiedersehen, und noch einmal vielen Dank für das wunderschöne
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