Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
Abschiedsfest im Ballsaal des Schiffes stattfinden sollte, verlangte Mama von Daddy, daß er ein anderes, größeres Schiff für die Karibikkreuzfahrt zur Verfügung stellte. Das wollte er nicht, weil sich dadurch die Gewinne enorm verringerten, denn für die erwartete Anzahl an Passagieren war das Schiff bei weitem zu groß.
»Du mußt es lernen, solche Dinge großzügig und sensationell aufzuziehen, Cleave«, sagte Mama zu ihm. »Der Eindruck, den du auf die Gäste machst, ist das, was jetzt zählt, und nicht die Sorge um irgendwelche Profite. Die Presse kommt, und du hast mir die Passagierliste gezeigt – ein paar der feinsten Familien haben diese Reise gebucht, mit der die neue Route eingeweiht wird. Die zusätzlichen Kosten lohnen sich.«
Schließlich beugte sich Daddy ihren Forderungen und stellte die Jillian, seinen zweitgrößten Luxusdampfer, für diese Reise bereit. Vor dem Abschiedsfest begab sich Mama täglich auf das Schiff, um die Dekoration zu überwachen und sich um die Unterhaltung, die Speisenfolge und die Gästeliste zu kümmern. Viele Würdenträger aus Boston waren eingeladen worden, obwohl sie die Kreuzfahrt nicht mitmachten. Dann brachte Mama eine sehr aufregende Idee zur Sprache.
In Boston wurde gerade ein neues Musical aufgeführt, ehe es nach New York kommen würde. Es hieß The Pajama Game, und wir waren am ersten Abend hingegangen. Mama überredete Daddy, noch mehr Geld auszugeben, um Mitglieder des Ensembles für die Party an Bord zu engagieren. Sie sollten ein paar der größten Erfolge wie »Steam Heat« singen. Das sicherte uns das Interesse der Presse.
Ich ging mit ihr in die Druckerei, um den Auftrag für die Einladungen zu erteilen, die sie selbst entworfen hatte. Auf der Vorderseite war ein Paar in Abendkleidung abgebildet, das an Deck stand und auf einen tintig blauen Ozean unter einem sternenbesäten Himmel hinausschaute. Man konnte die warme Nacht und die Romantik fast fühlen. Auf der Innenseite war eine kürzlich erschienene Anzeige abgedruckt.
MORGEN… 1500 MEILEN WEIT AUF DEM MEER…
Jeder Tag einer Kreuzfahrt mit van Voreen gleicht einer Fülle von Verlockungen. Der Luxus, im Bett zu frühstücken … Spiele oder auch nur das Faulenzen auf den geräumigen Decks… Einkaufsbummel, Tanztees und allerlei Vergnügliches … Zeit, sich zu erfrischen… und Pläne für die Aktivitäten nach der Ankunft zu schmieden.
Ob dies nun Ihre zweiten oder Ihre ersten Flitterwochen sind – was könnte belebender wirken, als eingehüllt in den Frieden von Meer und Himmel zu sein – auf einem Schiff das Ihnen die unermüdlichen Einfälle des Speiseplans und der Dienstleistungen von van Voreen bietet?
B ON V OYAGE !
Die Einladung auf der anderen Innenseite lautete dann:
WIR GEBEN UNS DIE EHRE,
SIE ZUM BALL »BON VOYAGE« EINZULADEN,
WIR STELLEN IHNEN DIE NEUE KARIBIKKREUZFAHRT
DER VAN-VOREEN-GESELLSCHAFT VOR.
AUF DER JILLIAN UM 20 UHR
SMOKING VORAUSSETZUNG.
Es war alles sehr aufregend. Mama kaufte ein trägerloses schwarzes Dior-Kleid mit einem diagonalen Streifen aus samtenem grauen Fell im Mieder und einem wogenden, weiten Rock. Sie trug ihre Tiffany-Kette mit den ovalen Diamanten und die passenden ovalen Diamantohrringe und das entsprechende Armband, in das ebenfalls ovale Diamanten eingesetzt waren. Sie verbrachte den ganzen Nachmittag damit, sich zurechtzumachen.
Als sie endlich aus ihrem Ankleidezimmer auftauchte, fand ich, daß sie umwerfend aussah.
In dem Kleid, das sie für mich ausgesucht hatte, fühlte ich mich unwohl. Es war ebenfalls trägerlos, und ich fand, daß meine Schultern zu eckig waren und meine Schlüsselbeine zu weit abstanden. Meinem kritischen Blick erschienen meine Brüste irgendwie künstlich, sogar albern. Das Kleid war in einem tiefen Dunkelblau gehalten, und unter dem weiten Rock trug ich mehrere Petticoats. Mama hatte mich gebeten, die Kette zu tragen, die Tony mir geschenkt hatte, und dann hatte sie mir kleine goldene Steckohrringe geliehen, die sehr gut zu der Kette paßten. Ich zog das goldene Armband an, das sie und Daddy mir im letzten Jahr geschenkt hatte. Das Haar ließ ich mir zu einem langen Pagenkopf kämmen und bürsten.
Daddy lief in seinem Smoking wie üblich unten auf und ab. Als wir gemeinsam die Treppe hinunterkamen, blieb er stehen und sah mit einem ehrfürchtigen Lächeln zu uns auf. »Prachtvoll, einfach prachtvoll«, rief er. »Du bist schöner denn je, Jillian. Und du, Leigh, bist heute abend wahrhaftig
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