Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
Verstand? fragte ich mich.
»Es ist nicht schwer zu verstehen, warum oder wie es zu alldem gekommen ist, Leigh. Tony bewundert mich, er betet mich an. Er sagt, ich sei wie eine mythische Gottheit, die vom Himmel herabgestiegen ist, um sein Leben lebenswert zu machen, denn selbst Männer, die sein Geld und seinen Einfluß besitzen, fühlen sich unvollständig, wenn sie keine Frau haben, die sie lieben und von der sie geliebt werden.
Liebe, wahre Liebe, ist die Erfüllung im Leben, die ihm erst seinen Sinn gibt, Leigh. Das wirst du auch noch verstehen.
Darf ich dir noch mehr erzählen? Wirst du mir zuhören wie meine beste Freundin, eine sehr enge Freundin? Ich habe nie eine wirklich gute Freundin gehabt.«
»Ich bin deine Freundin, Mama. Ich… ich bin nur…«
»Wie schön«, sagte sie, und ein verträumter Blick trat in ihre Augen, als sie in die Ferne schweiften. »Als ich Tony das erste Mal gesehen habe, da war es, als würde jede Wolke von einem blauen Himmel fortgefegt. Alles wurde heller und strahlender um mich herum. Die Farben nahmen eine größere Leuchtkraft an, die Vögel sangen, und der Wind wurde sanft und erfrischend. Ich konnte es morgens kaum noch erwarten, aufzustehen und nach Farthy zu fahren, nur einfach, um in seiner Nähe zu sein, seine Stimme zu hören und seine Blicke auf mir zu spüren.
So ist die Liebe, Leigh, die wahre Liebe.« Sie streckte die Hände nach mir aus. Ihre Worte waren so voller Zauber, ihre Bilder so wunderschön, daß ich unwillkürlich näher trat, bis sie meine Hände nehmen und mir in die Augen sehen konnte.
»Ich wußte, daß er mir sein Herz geöffnet hat und daß ich dort einen Platz gefunden hatte. Immer, wenn er etwas zu mir sagte, wurde seine Stimme so weich, so liebevoll. In seinen Augen stand eine Sehnsucht, die mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ«, sagte sie und vertraute sich mir an wie ein Schulmädchen, das gerade seine erste Liebe entdeckt hat. »Oh, anfangs habe ich versucht zu widerstehen, Leigh. Ich war deinem Vater nicht untreu. Ich habe mir immer wieder gesagt, daß ich eine verheiratete Frau bin, daß ich einen Mann und ein Kind habe und an beide denken muß, aber als Tony und ich einander immer nähergekommen sind, ist jeder Widerstand in mir geschwächt worden.
Eines Abends, nachdem ich meine Arbeit beendet und aufgeräumt hatte, um nach Hause zu fahren, bat er mich, noch einen Spaziergang mit ihm zu machen, um auf das Meer hinauszuschauen. Ich zögerte, doch er flehte mich an und versprach mir, mich anschließend gleich wieder zurückzubringen. Ich ließ mich erweichen, und wir liefen zu einem kleinen Hügel und sahen von dort aus aufs Meer. Die Sonne war rot und stand tief, und ihr unterer Rand berührte gerade den Ozean. Es war ein atemberaubender Anblick. Plötzlich spürte ich seine Hand in meiner, und als wir uns berührten, schrie mein Herz auf…
Ich gestand ihm mein Unglück, sagte ihm aber, ich könne nichts überstürzen. Er zeigte sich äußerst verständnisvoll, aber entschlossen.
Ich habe bei drei oder vier Gelegenheiten versucht, deinem Vater die Dinge zu erklären, aber er hat entweder überhören wollen, was ich gesagt habe, oder er hat mir wirklich nicht zugehört. Er denkt ja immer nur an sein Geschäft. Auf dem Abschiedsball habe ich Tony dann schließlich ein Versprechen gegeben. Dennoch habe ich versucht, es zu brechen. Ich habe auf dieser Reise nach Jamaika so sehr gelitten, aber die Liebe läßt sich nicht leugnen, wenn sie so wahr und wahrhaftig ist wie zwischen Tony und mir, und schließlich wußte ich, daß ich einen drastischen Schritt unternehmen mußte, wenn ich nicht im Dunkeln verkümmern wollte wie eine Blume.
Leigh, eines Tages könnte es auch dir so ergehen, und dann kann es sein, daß du jemanden brauchst, der dich versteht, jemanden, den du liebst und der dich liebt.« Sie drückte meine Hand und sah mich mit einem flehentlichen Blick an.
»O Mama. Es passiert alles so schnell. Für dich mag es nicht über Nacht passiert sein, aber für mich schon.«
»Ich weiß, Leigh. Mir ist klar, was du durchmachst, aber ich werde deine Hilfe brauchen. Ich brauche deine Unterstützung und deine Liebe. Wirst du mir mehr als nur eine Tochter sein? Wirst du gleichzeitig auch meine beste Freundin sein?«
Ihre Augen, in denen Tränen standen, schimmerten glasig, aber warm. Unwillkürlich streckte ich die Arme nach ihr aus. Sie küßte meine Wangen.
»Ich werde es versuchen. Aber, Mama, was wird aus Daddy
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