Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
werden?«
»Nichts wird passieren, Leigh. Glaube mir, er hat seine Geschäfte, und die beschäftigen ihn Tag und Nacht. Ihr beide werdet euch genausooft sehen wie bisher, und das war ja nicht gerade allzuoft«, fügte sie trocken hinzu.
Ich sagte gar nichts. In dem Punkt mochte sie recht haben, dachte ich, und doch kam es mir wie ein Schwert im Herzen vor, es sie so sagen zu hören.
»Und noch etwas, Leigh, das Wichtigste von allem: Wirst du versuchen, Tony gern zu haben? Kannst du ihm eine Chance geben? Wenn du das tust, wirst du erkennen, wie lieb er ist, und dann kannst du verstehen, warum ich ihn so gern habe.«
Ich kam nicht gegen meine Gefühle an. Jedesmal, wenn sie sagte, daß sie Tony liebte, dachte ich an Daddy und daran, wie grausam das alles war. Bei dem Gedanken an Tony wurde mir immer noch ein wenig flau im Magen. Jetzt dämmerte mir ganz allmählich, daß all das Tonys Schuld war. Ich haßte Tony!
Oh, warum hatte dieser reiche, gutaussehende Mann in Mamas Leben treten und sie so schnell und so restlos in sich verliebt machen müssen? Mehr als alles andere wünschte ich mir, ich könne ihn dazu bringen, eines Tages noch zu bereuen, daß er meine glückliche Welt zerstört hatte.
»Leigh, wirst du es versuchen?« wiederholte Mama, deren Stimme jetzt schon ein wenig verzweifelt klang. Es war nicht das erste Mal heute, daß ihre Wünsche gegen meine ankämpften und gewannen. Ich nickte. »Danke. Ach, ich danke dir ja so sehr, mein Schätzchen.« Sie umarmte mich. Aber ich fühlte mich kalt und leblos in ihren Armen. Es war schrecklich für mich, in diesen Punkt einzuwilligen. Es war ein Verrat an Daddy.
»Und dann muß ich dich noch um eins bitten, Leigh – darum, ein Geheimnis zu bewahren. Es muß zwischen uns beiden bleiben, ganz unter uns. Ich verlasse mich darauf, daß du es als meine beste Freundin für dich behältst. Versprichst du mir das, ein Ehrenwort zwischen Busenfreundinnen?« sagte sie und legte die Hand auf ihre Brüste.
Was konnte das jetzt sein? fragte ich mich.
»Ich verspreche es dir, Mama.«
»Gut.« Sie beugte sich zu mir vor und flüsterte, als seien noch andere Menschen hier im Raum. »Tony weiß nicht, wie alt ich wirklich bin, selbst jetzt noch nicht, obwohl er mir einen Heiratsantrag gemacht hat und ich ihn angenommen habe. Wie ich dir schon sagte, als wir auf dem Heimweg von Farthy waren, hält er mich für achtundzwanzig.«
»Wirst du ihm nie die Wahrheit sagen?«
»Eines Tages, aber nicht jetzt. In Ordnung?«
Ich nickte, aber ich fragte mich, wenn die beiden so verliebt waren, warum es dann nötig war, zu lügen? Bedeutete Liebe, wahre Liebe, denn nicht, daß man sich nicht belog, daß man sich so restlos vertraute, daß einen nichts auseinanderbringen konnte?
»Danke, Leigh. Ich wußte, daß du das verstehen würdest. Du bist jetzt erwachsen. Tony mag dich übrigens sehr. Er spricht immer wieder von dir, wie süß du bist und wie gern Troy dich hat und welchen Spaß es ihm gemacht hat, als ihr zu dritt am Meer spazierengegangen seid.
Ach, ich kann es kaum erwarten, daß wir endlich alle zusammen auf Farthy sind. Es ist, als sei der Traum meines Lebens wahr geworden, Leigh. Du wirst es ja sehen. Du wirst eine Prinzessin sein, eine echte Debütantin.« Sie stand auf. »Ich werde ein heißes Schaumbad nehmen, denn jetzt kann ich mich erst wirklich entspannen, weil ich weiß, daß mein kleines Mädchen verständnisvoll ist und mich liebhat. Hinterher werden wir uns dann unterhalten, und du wirst mir alles von Jamaika erzählen und was du getan hast. Einverstanden?«
Ich nickte, und mir fiel das Geschenk wieder ein, das ich ihr mitgebracht hatte. »Ich habe dir auf dem Straßenmarkt etwas gekauft, Mama.«
»Wirklich? Wie reizend von dir, daß du noch an mich gedacht hast, nachdem ich euch im Stich gelassen habe. Du bist so ein wunderbares, herzensgutes Kind, Leigh. Ich habe großes Glück mit dir.«
»Laß es mich schnell holen«, rief ich und lief in mein Zimmer. »Es ist nur eine Kleinigkeit«, sagte ich, als ich zurückkam, »aber mir hat es gefallen.«
Sie wickelte das Päckchen eilig aus.
»Ich liebe Geschenke, und ich liebe Überraschungen, ganz gleich, wieviel sie gekostet haben. Tony ist genauso. Er will mir an jedem einzelnen Tag unseres gemeinsamen Lebens etwas Neues und Schönes zum Geschenk machen«, quietschte sie vergnügt. Da ich es ihr versprochen hatte, bemühte ich mich nach Kräften, ihr das neugefundene Glück nicht übelzunehmen. Sie sah
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