Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
eifrig. Ich lachte darüber, wie er die Augen aufriß und mit dem Kopf nickte.
»Unsere guten Kleider?«
»Ich muß sehr aufpassen, wenn ich so angezogen bin, ich muß achtgeben, was ich anfasse und wohin ich trete«, klärte er mich auf. Er rümpfte die Nase, um auszudrücken, wie schrecklich er das fand. Er war so niedlich, daß ich ihn am liebsten wie einen meiner Teddybären an mich gedrückt hätte.
»Stimmt. Ich kann es selbst nicht erwarten, wieder meine ›guten‹ Kleider anzuziehen.« Ich stand auf, warf noch einen letzten Blick auf mein Spiegelbild und machte mich dann auf den Weg. Er gab mir seine Hand, und wir gingen zusammen hinunter.
Während der gesamten Probe kam ich mir vor wie in einem Traum. Als ich von all diesen Fremden umgeben war und beobachtete, wie Mama und Tony ihre bevorstehende Hochzeitsfeier durchspielten, sah ich mich immer wieder unwillkürlich um und hielt nach Daddy Ausschau. Irgendwie rechnete ich damit, daß er durch die große Eingangstür gestürmt kam. Ich gestattete meiner Phantasie, die Oberhand zu gewinnen. In meinem Traum setzte die Musik aus, und alle drehten sich zu Daddy um.
Meine Träumerei endete, platzte wie eine Seifenblase, als der kleine Troy erwartungsvoll an meiner Hand zog. Ich stand hinter den anderen Brautjungfern. Wir waren vor Mama die Treppe heruntergekommen und hatten uns aufgestellt, während der Geistliche das Zeremoniell mit dem Brautpaar durchsprach. Anscheinend war all das jetzt beendet, und Troy erinnerte mich an mein früheres Versprechen, mit ihm ins Freie zu gehen.
»Seid in etwa einer Stunde zum Mittagessen zurück«, sagte Tony.
Ich ging mich umziehen und war kaum fertig, als Troy dick eingepackt in mein Zimmer stürmte, um mich abzuholen und sich mit mir in den Schnee zu stürzen.
»Brauchen Sie mich? Soll ich mitkommen?« fragte Mrs. Hastings, und die Antwort, die sie erhoffte, stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Nein, Mrs. Hastings. Wir kommen schon allein zurecht«, erwiderte ich. Sie wirkte, als hätte ich ihr nach zehn Jahren harter Arbeit eine Pause gegönnt. Mit kleinen Jungen schien man alle Hände voll zu tun zu haben, dachte ich und lachte dabei in mich hinein. Ich zog meinen Mantel und meine Handschuhe an und nahm Troy an der Hand. Wir gingen die Treppe hinunter zu seinem Schneemann.
Es war zwar ziemlich hell, aber der Himmel hatte sich zugezogen, und es schneite. Ich sah Troy zu, als er geschickt die Finger des Schneemanns formte, und ich hörte mir an, was er mir über die Spielsachen erzählte, die Tony ihm zu Weihnachten versprochen hatte. Er sprang von einem Thema zum nächsten, und irgendwann zwischendurch erzählte er mir eine Geschichte, die ihm Ryse Williams über einen kleinen Jungen in New Orleans erzählt hatte, der eine Zauberflöte besaß. Er nannte Ryse immer wieder »Rye«, und als ich ihn fragte, warum er das tat, sagte er, er hätte gehört, daß die anderen Hausangestellten ihn so nannten.
»Sie haben gesagt, er heißt Rye Whisky und nicht Ryse Williams.«
»Rye Whisky? So nennst du ihn doch nicht etwa, oder?«
»Nee, nee«, sagte er, und dann sah er die Haustür an und gestand: »Doch, aber nur, wenn Tony nicht dabei ist. Der mag das nämlich nicht.«
»Ich verstehe. Dann solltest du es aber vielleicht auch dann nicht tun, wenn Tony nicht dabei ist.«
Er zuckte mit den Achseln. Dann leuchteten seine Augen auf, als er eine neue Idee hatte. Er ließ seinen Silberlöffel fallen und trat von dem Schneemann zurück.
»Wir brauchen ein paar Zweige von der Hecke, damit wir dem Schneemann Kleider machen können. Das muß sein, Leigh.«
»Von der Hecke?«
»Mhm. Boris stutzt ständig die Hecken im Irrgarten, und da liegen Stücke von der Hecke rum. Wir müssen uns ein paar davon holen, ja? Bitte. Ja?«
Ich seufzte. Mir war schon kalt, und die Schneeflocken fielen ständig schneller und dichter. Ein Spaziergang würde uns beiden guttun, dachte ich.
»Einverstanden.«
Er packte meine Hand, die in einem Fäustling steckte, und führte mich vom Haus fort.
»Ich zeige dir den Weg. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Ich zeige dir den Weg.«
»Schon gut, schon gut. Aber lauf nicht so schnell, Troy. Dein Schneemann wird nicht schmelzen. Soviel steht fest.«
Ich sah mich nach dem Haus um, weil ich die Stimmen von zwei Frauen hörte, die in Tonys Büros in Boston arbeiteten und hier als Brautjungfern agierten. Sie sprachen über Mama, als sie zu ihrem Wagen liefen.
»Sie war mit einem Mann verheiratet, der
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