Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
unter die Scheite und die größeren Aststücke. Bald hatte er ein hübsches, kleines Feuer entfacht. Er lief wieder hinaus, holte noch zwei große Scheite und legte sie ins Feuer.
»Sehr gut, Troy.« Ich war überrascht. »Du bist wirklich schon sehr erwachsen.«
»Hier bin ich der Daddy«, sagte er. »Du kannst die Mama sein und uns Abendessen kochen und spülen.«
Ich lachte und überlegte mir, wie sehr ich es mir doch gewünscht hätte, in diesem kleinen Häuschen eine glückliche Familie zu haben. Dafür hätte ich all die großen Räume und tollen Sachen hergegeben.
»Und was wirst du tun – außer Feuermachen?«
Er zuckte mit den Achseln. »Essen.«
»Ist das alles?«
»Ich weiß es nicht. Was soll ich denn sonst noch tun? Was tut ein Daddy denn sonst noch?«
Der arme Troy, dachte ich, er hatte nie die Gelegenheit gehabt, seinen Vater kennenzulernen und zu erfahren, wie wichtig es war, einen Daddy zu haben. Ich zog den Schaukelstuhl näher vor unser kleines Feuer. Troy kam zu mir, und setzte sich auf meinen Schoß.
»Ein Daddy gibt einem ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit; er gibt dir genausoviel Liebe wie eine Mami, und wenn man wie du ein kleiner Junge ist, spielt er Ball mit einem oder bringt einem Dinge bei oder nimmt einen mit«, sagte ich zu ihm.
»Und was ist, wenn man ein kleines Mädchen ist?«
»Dann macht er dich zu seiner kleinen Prinzessin und kauft dir Geschenke und gibt dir das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein, weil er dich so liebhat.«
»Und liebt Daddy die Mami, und liebt Mami den Daddy?«
»O ja, sehr sogar. Für die beiden gibt es keinen anderen Menschen auf der Welt, der wichtiger für sie ist. Die Liebe ist… Liebe ist…« Ich konnte nicht weiterreden. Plötzlich ertappte ich mich dabei, daß ich schluchzte und meine Schultern sich hoben und senkten.
»Was ist?« Er sah zu mir auf. »Leigh, warum weinst du?«
»Ich weine manchmal, wenn ich an meinen Daddy denke.«
»Warum? Weil er nicht hier ist?«
»Mhm.« Ich schniefte ein paarmal und versuchte, mich zu beherrschen.
»Wenn er nicht da ist, werde ich eben dein Daddy sein. Einverstanden?«
»Ach, Troy.« Ich drückte ihn an mich. »Du bist lieb, aber ich fürchte, das kannst du nicht sein, weil… o nein.«
»Was ist?«
»Sieh nur, wie dicht der Schnee fällt«, sagte ich und deutete aufs Fenster. Es war fast unmöglich, die Kiefern durch den Schneeschauer zu sehen. »Wir sollten jetzt lieber gehen.« Ich stellte ihn auf den Fußboden. »Komm, schnell.«
Ich nahm ihn an der Hand, und wir verließen das Häuschen. Es schien, als seien fast drei Zentimeter Schnee auf die Steinfliesen des Weges gefallen. Ich scheuchte Troy eilig in den Irrgarten, und als wir in den ersten Gang einbogen, konnte ich durch den dichten Schnee nichts mehr sehen. Wir liefen schnell bis zur ersten Ecke, bogen ab, liefen durch den nächsten Gang und bogen in einen anderen ein, und dann… blieb ich stehen.
»O nein«, seufzte ich und sah auf die Weggabelung, die vor uns lag. Dort führte ein Gang nach rechts, ein anderer nach links.
»Was ist los?« fragte Troy.
»Unsere Fußstapfen! Sie sind fort. Der Schnee hat sie schon zugedeckt, und ich kann mich nicht mehr erinnern, ob wir von rechts oder von links gekommen sind.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Troy tapfer. »Wir werden den Weg schon finden.« Er lief in den Gang hinein und wandte sich um. »Komm mit«, forderte er mich auf.
»Ich weiß nicht so recht. Ich fürchte mich«, sagte ich zögernd. Troy sah auf den Weg, der vor uns lag. Der Schnee fiel so dicht, daß die Abzweigung kaum noch zu sehen war. Ich dachte daran, zu dem Häuschen zurückzugehen, aber es konnte sein, daß der Schnee noch lange fiel, und niemand wußte, daß wir in den Irrgarten gelaufen waren. Widerstrebend trabte ich vorwärts und nahm Troy an der Hand. Der Schnee ließ keinen Moment lang nach, und bald sahen alle Abzweigungen und Gänge vollkommen gleich aus. Wir kamen um die nächste Biegung und stießen auf unsere frischen Fußspuren, und in dem Moment wurde mir klar, daß wir im Kreis gelaufen waren.
»Wir haben uns verirrt«, rief ich aus. Troy schluchzte. »Weine nicht, Troy. Jemand wird uns helfen. Wir sind bald draußen.« Ich hob ihn auf meine Arme und lief durch den nächsten Gang. Die Schneeflocken klebten jetzt auf meinen Wangen und auf meiner Stirn. Meine Füße waren schrecklich kalt; ich war nicht für einen langen Spaziergang durch den Tiefschnee angezogen. Der kleine Troy
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