Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
sie ins Haus kommen hörte, lief ich ihnen entgegen.
»Es ist eindeutig eine Lungenentzündung«, verkündete Mrs. Hastings mit bebenden Lippen. Sie fing an zu schluchzen. »Er liegt im Sauerstoffzelt. Es ist so ein jämmerlicher Anblick. Meine Güte, meine Güte.«
Ich versuchte, sie zu trösten.
»Sie sollten jetzt etwas essen und etwas Warmes trinken, Mrs. Hastings, und hören Sie vor allem auf, sich Vorwürfe zu machen. Niemand ist schuld daran.«
»Etwas Heißes trinken«, murmelte sie. »Sie haben ja so recht. Ich danke Ihnen, meine Liebe.« Sie machte sich auf den Weg zur Küche.
»Wie geht es ihm wirklich, Miles?« fragte ich.
»Er hat sehr, sehr hohes Fieber. Troy hat schon eine lange Krankheitsgeschichte hinter sich, und seine Abwehrkräfte sind geschwächt. Ich fürchte, es besteht Grund zu ernster Sorge.«
Mir sank das Herz. Ich konnte spüren, wie das Blut aus meinem Gesicht wich. Mir war flau in der Magengegend, und alles in meinem Innern rebellierte.
»Sie meinen doch nicht etwa, daß er sterben könnte, Miles?« Ich hielt den Atem an, bis er antwortete.
»Es ist sehr ernst, Miß«, sagte er und sah auf seine Armbanduhr. »Ich muß mich jetzt auf den Weg zum Flughafen machen. Mr. und Mrs. Tatterton kommen bald an. Ich kann mir vorstellen, daß sie direkt von dort aus zum Krankenhaus gefahren werden wollen.«
»Der arme Tony und die arme Mama. Sie werden restlos schockiert sein«, sagte ich. Er nickte und verließ eilig das Haus.
Ich verbrachte den Rest des Nachmittags damit, beklommen abzuwarten. Jedesmal, wenn ich ein Telefon läuten hörte, blieb mein Herz stehen. Keiner der Anrufe hatte jedoch etwas mit Troy zu tun. Als ich nicht länger warten konnte, brachte ich Mrs. Hastings dazu, im Krankenhaus anzurufen und die Krankenschwester von Troys Station zu fragen, wie es ihm ging. Sein Zustand hatte sich nicht gebessert. Daraus, wie Mrs. Hastings lauschte und nickte und dabei immer größere Augen bekam, während ihre Lippen zuckten, konnte ich nur schließen, daß es ihm eher schlechter ging.
Endlich hörte ich, daß sich an der Haustür etwas tat, und als ich aus dem Musikzimmer kam, sah ich Mama bei ihrem großen Auftritt: Dienstboten trugen Gepäck ins Haus, und sie rief ihnen Anweisungen zu und beklagte sich bei Curtis über das kalte Wetter und die lange Reise. Tony war nicht bei ihr.
»Mama!« schrie ich. »Gott sei Dank, daß du wieder da bist!«
»Amen«, sagte Mama und ließ darauf ein dünnes Lachen folgen.
Sie zog sich die Handschuhe aus. Sie klagte zwar über die Kälte und die Reise, aber sie wirkte frisch und sah schön aus. Sie hatte strahlende rosige Wangen und trug einen neuen schwarzen Zobelpelz mit einer dazu passenden Mütze, schwarze Samthandschuhe und eine Skihose. Sie trat zur Seite, damit Miles ihre Skiausrüstung ins Haus tragen konnte.
Sie drückte mich kurz an sich und flüsterte: »Man sollte nicht meinen, daß Flitterwochen so anstrengend sein können, Leigh, aber du kannst mir glauben, daß sie es waren. Ich bin absolut erschöpft und ausgelaugt und habe keinen Funken Energie mehr. Ich kann es nicht erwarten, mich endlich in mein weiches Bett zu legen und die Augen zu schließen.«
»Aber Mama, wo ist Tony? Ihr wißt doch von Troy, oder nicht?«
»Ja, natürlich. Tony ist direkt zum Krankenhaus gefahren. Wir haben ihn dort abgesetzt«, sagte sie. »Warte nur, bis du siehst, was ich in Europa alles gekauft habe, Leigh«, sagte sie im selben Atemzug. »Wenn ich mich erst ausgeruht habe, werde ich dir alles zeigen und dir alles erzählen.« Sie beugte sich wieder zu mir vor und flüsterte: »Und ich meine wirklich alles!« Dann lief sie auf die Treppe zu. »Aber im Moment… erst einmal ein heißes Bad… und Ruhe…«
»Aber Mama, was ist mit dem kleinen Troy?« Sie drehte sich auf dem untersten Treppenabsatz um und schien verwirrt zu sein.
»Was soll denn sein mit ihm?«
»Er ist so krank und…«
»Nun, deshalb liegt er doch im Krankenhaus, Leigh. Was könnten wir denn noch mehr tun?«
»Hast du ihn gesehen?«
»Natürlich nicht«, sagte sie kopfschüttelnd. »Solchen Dingen setzt man sich doch nicht aus, wenn es nicht unbedingt sein muß.«
»Aber…«
»Du warst doch nicht etwa bei ihm, oder? Es würde uns jetzt gerade noch fehlen«, sagte sie, ehe ich etwas darauf antworten konnte, »daß du auch noch krank wirst. Dafür fehlt mir einfach jede Kraft und Energie. Im Moment jedenfalls.« Sie stieg die Treppe hinauf. »Ich werde dich rufen
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